Mit ein bisserl Glück ist der Akku nicht voll aufgeladen, dann bleibt vom Daumen eventuell noch etwas über ...

Foto: Gregor Fauma

Die Arbeiten werden gröber. Konnte man die Gartenwonnemonate größtenteils mit leichten Arbeiten wie dem Hätscheln fragiler Saxifragae und dem Betrillern pastellfarbener Bignoniaceae zubringen, so stehen nun Tätigkeiten im Prospekt, die Schweiß, Schmerzen und Schadenfreude mit sich bringen. Na wunderbar. Denn das Leben eines Gärtners ist gar nicht einmal so friedlich, freundlich, eierkuchig, sondern durchaus auch von Gefahren und resultierenden Verletzungen gezeichnet.

Nicht ohne Grund lustwandelt der Gärten liebende Thronfolger des Vereinigten Lauwetterreichs Großbritanniens und der Insel Ulster stets mit einer Schutzbrille durch seine Rabatten.

Als erster Gärtner des Landes muss er natürlich Vorbild sein, vorbildlich Leben und durch sein unablässiges Vorführen verantwortungsbewussten Gärtnerns seinem Volk Sicherheit und Richtung geben. Und womit? Mit recht.

Makroaufnahme des Staberls

Denn wer sich ohne Schutzbrille zu einem Beet hinunterbeugt, wer sich ohne Schutzbrille den fauligen Furchen seines überdüngten Bodens nähert, der kann schon einmal ein zartes Bambusstaberl übersehen, welches dereinst zur Stütze einer Trollblume in den Boden gerammt und dort fixiert wurde. Wer das übersieht, bekommt für einen ganz kurzen Augenblick eine Makroaufnahme des Staberls von oben, bevor es möglicherweise für dieses Auge für immer dunkel wird und es abends Rasnici der ganz besonderen Art gibt.

Wer meint, Schutzbrillen im Garten wären etwas für Schattenparker, der hat natürlich recht. Denn es ist durchaus angenehm, in ein schattengekühltes Auto zu steigen, wenn man den Kofferraum voller Pflanzen und die schreiende Brut im Fond angezurrt hat. Darüber hinaus gibt es mittlerweile die schniekesten Modelle, und man hat via Schutzbrillen die Möglichkeit, dem konkurrierenden Gärtner aus der Nachbarschaft modisch ein Schnippchen zu schlagen. Wobei es natürlich auch konkurrenzlos für Gesprächsstoff in der Pfarrgemeinde sorgen wird, wenn man beim herbstlichen Rosenschneiden beim Reingehen in die gute Stube mit einem Auge an einem Stachel eines Rumblerrosentriebs hängenbleibt. Unvergessliche Momente für alle Beteiligten, garantiert!

Zustand geistiger Gelassenheit

Deutlich weniger dramatisch, dafür alltäglicher, ist das nachhaltige Kribbeln, das beim unsachgemäßen Brennnesselrupfen entstehen mag. Da nützt es nichts, wenn man seine Hände in teure Froschschenkellederhandschuhe steckt, Schutz vor den bösen Nesselgiften suchend, und dabei auf die Unterarme vergisst, welche bleich und zart ihrem brennenden Schicksal entgegensehen. Denn schon nach kurzer Zeit wird der Brennnesselrupfer draufkommen, dass man die Biester nicht am Kopf, sondern an der Wurzel packen muss, um sie dem Boden entreißen zu können, tief mit seinen blanken Gliedmaßen in die Urtica-Rabatte tauchen, um winselnd-jammernd wieder hochzufahren und den Herrgott und alle anderen Verantwortlichen anständig zu verfluchen. Brennnesselernte erfordert Handschuhe, wie es die Tierärzte am Land tragen, wenn sie nach dem noch ungeborenen Kalb im Mutterleib tasten.

Weiters wichtig und sinnvoll ist es, gefährliche Schnitttätigkeiten in einem Zustand geistiger Gelassenheit anstelle von Wut und Ärger zu vollführen. Wir leben von unseren Säften, und wenn Cortisol, Adrenalin und sonstige endogene Rauschmittel unseren Körper lenken, werden die Bewegungen um einen Tick zu fahrig, eine Spur zu unkontrolliert und führen mitunter dazu, dass man beim Rasenkantenschneiden den neuen Rasenkantenmäher durch gezielten Daumeneinsatz zum Stocken bringt. Mit ein bisserl Glück ist der Akku nicht voll aufgeladen, dann bleibt vom Daumen eventuell noch etwas über ... (Gregor Fauma/Der Standard/rondo/28/10/2011)