Auch Pflanzen gehören bisweilen zur Gattung der Vermummten. Das Umwickeln mit luftigen Naturstoffen schützt vor der brutalen Witterung, die demnächst auf uns zukommt.

Foto: Matthias Cremer

Niemand mag sie, die Vermummten. Das rechte Pack zerreißt sich im hintersten Gästezimmer das Maul über verschleierte Frauen, der bieder-bürgerliche Bildungsbürger zeigt sich entsetzt angesichts vermummter, Steine werfender Wirtschaftsgipfeltouristen, welche sich ihrerseits wieder als provoziert empfinden, wenn sie sich mit zur Anonymität vermummten Sondereinheiten der Exekutive konfrontiert sehen. Aber auch wir Gärtnerinnen und Gartler tun uns schwer damit. Weshalb?

Kalt ist es mittlerweile geworden, kalt und duster. Die Pflanzen quittieren diese Umstände in der Regel mit dem Einstellen von Wachstum, dem dicken Verpacken ihrer Knospen und dem Abwerfen energetischen Ballasts. Es ist Zeit für die Winterruhe, und Winter bedeutet Leben am Minimum. Und als ob sie es wüssten, fangen die Pflanzen, durch Licht und Temperatur gesteuert, an, Vorkehrungen zu treffen. Einen Klassiker unter diesen haben sie sich von den Autofahrern abgeschaut, welche in der kalten Jahreszeit Frustschutzmittel in ihr Auto kippen beziehungsweise mittels Salz versuchen, den Gefrierpunkt des Wischwassers herabzusetzen.

Halts Köpfchen kühl und d' Fusserl warm

Das können auch die Pflanzen gut. Sie erhöhen die Konzentration unterschiedlichster Ionen in ihren Flüssigkeiten, auf dass diese nicht schon bei den ersten Minusgraden gefrieren. Aber Pflanzen sind unterschiedlich sensibel und halten oberhalb der Scholle mehr aus als unterhalb. Ganz nach dem weisen Spruch "Halts Köpfchen kühl und d' Fusserl warm, dann wird der beste Bader arm" sorgen auch wir Gärtner uns um die Füße der Pflanzen. Denn wenn einmal die Wurzeln erfroren sind, kann man den Rest der Pflanze getrost trashen und komposten. Hat man es jedoch nur mit oberflächlichen Erfrierungen zu tun, so besteht immer noch Hoffnung, dass die Pflanze Monate später neu austreibt. Prinzipiell ist der November etwas für die Zocker unter den Gärtnerinnen und Gartlern. Sie matchen sich mit dem Thermometer, wissend, dass jeder Tag, den die Pflanzen nicht im Winterquartier verbringen müssen, ein gewonnener Tag ist.

Die faulen Hunde unter uns stellen ihre tropischen Seicherln bereits Anfang Oktober in die Garage, ins Stiegenhaus oder in sonst einen frostsicheren Ort und wundern sich, dass nach siebeneinhalb Monaten Winterquartier ihre Zöglinge deutlich elender aussehen als jene, die zwar einigen Erfrierungen ausgesetzt worden waren, jedoch nur drei bis vier Monate im dunklen Knast ausharren mussten.

Licht und Temperatur

Trotzdem, für alle Freunde tropischer Prachtblüher gilt, dass sie irgendwann einmal eingeräumt werden müssen, dies jedoch so spät wie möglich. Beim Winterquartier spielt das Verhältnis von Licht und Temperatur eine wesentliche Rolle für einen gesicherten Fortbestand.

Je heller es ist, desto kühler sollte der Unterstellplatz sein, damit die Pflanzen auch auf den Winter-Modus kalibriert bleiben. Und in wirklich dunklen Kammern liegt das Temperaturoptimum knapp über dem Erfrieren. Pflanzen, die laut Betriebsanleitung "relativ frostsicher" sind, kann man dann draußen lassen, wenn man sie vor Wind und Schneegewicht schützt. Dazu bieten Baumärkte diverse Planen und Verhüterli an, mittels derer die Pflanzen vor zu brutaler Witterung geschützt werden. Wichtig dabei ist, dass die Luft innerhalb dieses Schutzes zirkulieren kann, damit die überwinterten Triebe nicht im Frühjahr an einer Pilzinfektion leiden. Umwickeln mit Schilfmatten, luftigen Naturstoffen oder gar Reisig ist eine bewährte Methode, heikle Gerade-noch-Draußenbleiber zu schützen. Und da sind wir wieder beim Vermummen: Die Vermummten freut es, die Unvermummten verstehen es mitunter nicht. (Gregor Fauma/Der Standard/rondo/04/11/2011)