Die Fastenzeit soll uns von jeher auf die Hormonfluten des Frühlings vorbereiten. Jetzt sollte jedermann strukturelle Verbesserungen seiner Trinkgewohnheiten vornehmen. Schließlich gilt es, die Bälle, die der Mai alsbald Ihrer Libido zuwerfen wird, aufzunehmen und treffsicher zu verwandeln. In das Wunder von Döbling, Beesenstedt oder Strengberg. Dafür brauchen Sie einen Coach - oder wenigstens einen Consultant.

Was in den 80ern der Eheberater und in den 90ern der Anlageberater - diese Saison ist's der Trinkberater. Ein cooler Beruf. Drei Liter täglich, sagen die Getränkefabrikanten, soll man trinken. Bloß was?

Das Beste am Trinken sind die anonymen Alkoholiker. Wie warm und herzlich man da empfangen wird & wie günstig so ein Abend kommt - wenn man danach nicht noch ausgeht. Unglaublich, wie nett Alkoholiker werden, wenn sie erst einmal anonym sind. Bis dahin muss man allerdings einen weiten Weg zurücklegen. Die so genannte Durststrecke.

Für den Start empfehle ich Gin Tonic. Der Gin wird vom Kiefergelenk sofort absorbiert und wirkt nur in der vorderen Kopf- und Gesichtshälfte. Die so genannte Kopfhörergrenze sorgt dafür, dass bestenfalls ein Drittel des Gehirns in Rauschzustand getunkt wird, während der Rest des Körpers durch das Tonic a) tonisiert, erfrischt und b) durch das Chinin unsterblich wird. Jedenfalls am betreffenden Abend. Ins Gesicht zaubert derweil der Gin ein maikäferartiges Dauerlächeln, als wäre der Mai einem schon längst unter die Tuchent gekrabbelt. Gin-Tonisierte entwickeln eine Schönheit, mit der andere Alkoholiker, weder anonyme noch stadtbekannte, kaum mithalten können.

Stellt man sich das Jahr vor wie eine erblühende Frau, so ist die Fastenzeit eigentlich die Zeit, in der sie menstruiert. Rote Getränke sind also tabu! Portwein oder Zweigelt ließe einen ja fühlen wie Jack the Ripper. Hingegen weißer Wermut, da liegt Wehmut drin, Sehnsucht - ein feines Getränk für die Wochen der Einkehr. Bitte viel Eis, Wermut macht sehr durstig. Genau wie Wehmut und Sehnsucht. Darauf aufbauend sollten Männer jetzt Dostojewski lesen und eine Überidentifikation mit dem "Idioten" ausprägen, und Frauen Wodka trinken. Wodka macht manövrierunfähig - Madame muss nach Hause gebracht werden. Hilflos schimmern weiße Schultern im Mondschein, Mitleid ist die Vorstufe der Liebe. . . Spätestens jetzt ist diese Kolumne glatt das Gegenteil von Suchtprävention. Oh je. Die Jugend muss aber unbedingt vor dem Trinken gewarnt werden: niemals, niemals Pfefferminztee im Bräunerhof! In einem blinden alten Teeglas hat sich ein Beutelchen ersäuft, und an einem Schnürlein am Beutel liest man "Clever". Nie war Trinken trauriger. Und zweiachtzig für diese mentale Verirrung? Never ever. Ihre Cosima Reif, Zufallssexkolumnistin (DER STANDARD/rondo/27/02/2004)