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Die Plakette am Eaton Place 54 erinnert an Vivien Leigh

Foto: Archiv
Karl Marx und Friedrich Engels haben eine, selbstverständlich Churchill, aber auch Jimi Hendrix. Sie alle gehören in London zu den Unsterblichen, weil sie mit einer blauen Plakette geehrt worden sind. In der ganzen Stadt hängen solche ovalen Gedenktafeln an Häusern, die berühmte Leute einst bewohnt haben. Die Ehrenzeichen sind in England so bekannt, dass es geradezu sprichwörtlich geworden ist zu sagen: "Warte ab, irgendwann hängt an meinem Haus eine blaue Plakette."

Fast achthundert Gebäude in London tragen die begehrten Gedenktafeln, Villen genauso wie Mietkasernen. Winston Churchill residierte standesgemäß am Hyde Gate 28. Auch Vivien Leigh, die Scarlett aus "Vom Winde verweht", konnte eine höchst vornehme Adresse vorweisen: Eaton Square 54. Wer dagegen die Plakette von Mahatma Gandhi finden will, muss in eine hässliche Vorstadt fahren und sich dort zu einem ehemaligen Obdachlosenheim durchfragen: Hier kam der indische Freiheitskämpfer 1931 während einer Konferenz mit den britischen Kolonialherren unter.

"Plaketten"-Ausschussmitgliedern: Ein Fernsehmoderator, ein Historiker und neuerdings - Stephen Fry

Ian Fleming, der Erfinder von James Bond, lebte in einer ruhigen, aber gesichtslosen Straße in der Nähe des Bahnhofs Victoria - nicht weit entfernt von der heutigen Zentrale des britischen Geheimdienstes. Der Schriftsteller George Orwell hat seine Plakette im Trendviertel Notting HilI - doch das täuscht: Zu seiner Zeit lag die heutige Nobeladresse mitten in einem der verrufensten und heruntergekommensten Viertel der Stadt.

Rund zwanzig Gedenktafeln werden jedes Jahr ausgewählt. Alle drei Monate kommt dafür ein elfköpfiger Ausschuss zu Beratungen zusammen. Die Öffentlichkeit ist aufgerufen, Vorschläge zu machen, auch wenn schon eine lange Warteliste vorliegt. Zu den Ausschussmitgliedern gehören ein Fernsehmoderator, ein Historiker und neuerdings der Schauspieler Stephen Fry, der international vor allem durch die Titelrolle in dem Film "Oscar Wilde" bekannt wurde.

Prominenz und (!) Beitrag zum Wohlergehen und Glück der Menschheit

Prominenz allein reicht nicht aus, um an den Mauern der Stadt verewigt zu werden. Man muss darüber hinaus "einen positiven Beitrag zum Wohlergehen und Glück der Menschheit" geleistet haben. Außerdem müssen die Nominierten entweder bereits zwanzig Jahre tot sein oder ihren 100. Geburtstag hinter sich haben. Prinzessin Diana wird man deshalb genauso vergebens suchen wie Margaret Thatcher.

Unwichtig ist die Nationalität, doch sollte der Betreffende eine entscheidende Zeit seines Lebens im Land verbracht haben. So finden sich auch einige deutsche Namen an Londoner Häusern. Der Name des Komponisten Georg Friedrich Händel ist in der Schreibweise George Frederick Handel auf einer Plakette im Stadtzentrum zu finden (25 Brook Street). Nicht weit davon entfernt (28 Dean Street) hat Karl Marx sechs Jahre lang gewohnt.

Blaue Plaketten seit 1867

Die Vergabe der blauen Plaketten hat eine lange Tradition. 1867 brachte die Königliche Gesellschaft der Künste die erste Gedenktafel am Haus des Dichters Lord Byron an. Heute betreut English Heritage, eine große Gesellschaft zur Denkmalpflege, die Vergabe der Ehrentafeln. Während die Plaketten zunächst nur in London vergeben wurden, findet man sie mittlerweile auch in der Region Liverpool, in Birmingham, Portsmouth und Southampton.

Nur in Ausnahmen - etwa bei Händel in London und bei Lennon in Liverpool - zieren die Plaketten ein Museum. In den meisten Fällen geht es um ganz normale Privathäuser. So konnte man kürzlich das ehemalige Atelier des Malers Piet Mondrian als Wohnung mieten. Den Wert eines Hauses steigern die Plaketten übrigens nicht, wie Immobilienmakler herausgefunden haben. So Promi-begeistert sind die Briten nun auch wieder nicht. (apa, red)