Fast achthundert Gebäude in London tragen die begehrten Gedenktafeln, Villen genauso wie Mietkasernen. Winston Churchill residierte standesgemäß am Hyde Gate 28. Auch Vivien Leigh, die Scarlett aus "Vom Winde verweht", konnte eine höchst vornehme Adresse vorweisen: Eaton Square 54. Wer dagegen die Plakette von Mahatma Gandhi finden will, muss in eine hässliche Vorstadt fahren und sich dort zu einem ehemaligen Obdachlosenheim durchfragen: Hier kam der indische Freiheitskämpfer 1931 während einer Konferenz mit den britischen Kolonialherren unter.
"Plaketten"-Ausschussmitgliedern: Ein Fernsehmoderator, ein Historiker und neuerdings - Stephen Fry
Ian Fleming, der Erfinder von James Bond, lebte in einer ruhigen, aber gesichtslosen Straße in der Nähe des Bahnhofs Victoria - nicht weit entfernt von der heutigen Zentrale des britischen Geheimdienstes. Der Schriftsteller George Orwell hat seine Plakette im Trendviertel Notting HilI - doch das täuscht: Zu seiner Zeit lag die heutige Nobeladresse mitten in einem der verrufensten und heruntergekommensten Viertel der Stadt.
Rund zwanzig Gedenktafeln werden jedes Jahr ausgewählt. Alle drei Monate kommt dafür ein elfköpfiger Ausschuss zu Beratungen zusammen. Die Öffentlichkeit ist aufgerufen, Vorschläge zu machen, auch wenn schon eine lange Warteliste vorliegt. Zu den Ausschussmitgliedern gehören ein Fernsehmoderator, ein Historiker und neuerdings der Schauspieler Stephen Fry, der international vor allem durch die Titelrolle in dem Film "Oscar Wilde" bekannt wurde.
Prominenz und (!) Beitrag zum Wohlergehen und Glück der Menschheit
Prominenz allein reicht nicht aus, um an den Mauern der Stadt verewigt zu werden. Man muss darüber hinaus "einen positiven Beitrag zum Wohlergehen und Glück der Menschheit" geleistet haben. Außerdem müssen die Nominierten entweder bereits zwanzig Jahre tot sein oder ihren 100. Geburtstag hinter sich haben. Prinzessin Diana wird man deshalb genauso vergebens suchen wie Margaret Thatcher.
Unwichtig ist die Nationalität, doch sollte der Betreffende eine entscheidende Zeit seines Lebens im Land verbracht haben. So finden sich auch einige deutsche Namen an Londoner Häusern. Der Name des Komponisten Georg Friedrich Händel ist in der Schreibweise George Frederick Handel auf einer Plakette im Stadtzentrum zu finden (25 Brook Street). Nicht weit davon entfernt (28 Dean Street) hat Karl Marx sechs Jahre lang gewohnt.
Blaue Plaketten seit 1867
Die Vergabe der blauen Plaketten hat eine lange Tradition. 1867 brachte die Königliche Gesellschaft der Künste die erste Gedenktafel am Haus des Dichters Lord Byron an. Heute betreut English Heritage, eine große Gesellschaft zur Denkmalpflege, die Vergabe der Ehrentafeln. Während die Plaketten zunächst nur in London vergeben wurden, findet man sie mittlerweile auch in der Region Liverpool, in Birmingham, Portsmouth und Southampton.