Graz – Bundeskanzler und ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel kam am Dienstag mit Parlamentspräsident Andreas Khol und Parteigeschäftsführer Reinhold Lopatka im Schlepptau in die Steiermark geeilt.

Offizieller Anlass: Die Präsentation des "Steirischen Jahrbuches für Politik 2003". Der eigentliche Hintergrund der Mission: Auslotung der akuten Krise in der steirischen ÖVP, in welche die Partei – kurz vor der Landtagswahl 2005 – durch die Affäre um den steirischen Stromkonzern Estag geschlittert ist. Nach Salzburg droht hier die zweite ÖVP-Hochburg zu zerbröseln.

Entlassung wegen "Handlungsunfähigkeit"

Der ehemalige ÖVP-Landesrat Gerhard Hirschmann war im Vorjahr in das Landesunternehmen Energie Steiermark AG gewechselt und hat dort umgehend für gehörigen Wirbel gesorgt. Er warf seinem Unternehmen zu hohe Vorstandsgehälter, eine teure Firmenzentrale und fragwürdige Beteiligungen vor. Alles endete in einem heillosen Streit mit seinen Vorstandskollegen. Die Konzernspitze wurde schließlich samt Hirschmann wegen "Handlungsunfähigkeit" fristlos entlassen. Der Rechnungshof stellte zudem eine Reihe an weiteren Missständen fest, Hirschmann und Kollegen müssen jetzt sogar mit Schadenersatzklagen rechnen.

Spaltungsgefahr

Seitdem ist die steirischen ÖVP in einem Art Ausnahmezustand, nahe der Spaltungsgefahr. Im Konflikt um die Estag haben sich zwei Lager gebildet. Hirschmann versammelt den mächtigen ÖAAB mit ÖAAB-Chef und Landesrat Hermann Schützenhöfer hinter sich, die sich gemeinsam mit den Styria-Medien und der Kronenzeitung schützend vor den "Aufdecker" Hirschmann stellen. Hirschmanns Gegenspieler ist dessen alter Jugendfreund, Wirtschaftslandesrat Herbert Paierl, der Hirschmanns öffentliche Ausritte gegen das Landesunternehmen heftig kritisierte. Hinter Paierl steht der steirische VP-Wirtschaftsbund und die Industrie. Hirschmanns Gruppe verlangt offen den Kopf Herbert Paierls.

Parteibasis verunsichert

Die öffentliche Konfliktaustragung zwischen Paierl und Hirschmann verunsichert nicht nur die Parteibasis. Kolportierten Umfragen zufolge hat Waltraud Klasnics ÖVP bereits den Großteil des historischen Wahlsieges von 2000 verspielt. Die SPÖ ist bereits auf drei Prozent nahe gerückt. Zu alledem geht noch ein Gespenst um: Was, wenn ein frustrierter Gerhard Hirschmann Andeutungen wahr macht und eine neue Partei gründet? "Daran will ich gar nicht denken", bekennt ein angespannt wirkender hoher ÖVP-Politiker. (Walter Müller/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1.4.2004)