Der Wiener Kassenvertrag ist erneut gescheitert. Ein vertragsloser Zustand, bei welchem Patienten Kosten für Arztbesuche übernehmen müssten, droht.

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Wien - Der Wiener Kassenvertrag ist Mittwoch vormittag im Verwaltungsrat des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger erneut gescheitert. Die Abstimmung endete mit einem 7:7 Patt, wurde aus der Sitzung bekannt. Die ÖVP-Vertreter votierten geschlossen gegen den zwischen Gebietskrankenkassa und Ärztekammer vereinbarten Vertrag. Damit könnte den Wiener Versicherten in den nächsten Monaten ein vertragsloser Zustand drohen.

Lösungssuche bis 24. Juni

Nach dem neuerlichen Patt wird nun in den nächsten Monaten nach einer neuen Lösung gesucht. Wie Hauptverbandspräsident Herwig Frad in einer Pressekonferenz mitteilte, werde der Vertrag spätestens am 24. Juni wieder auf die Tagesordnung kommen. Das könne er garantieren. Die VP-Vertreter erwarten nun noch Änderungen an dem Kontrakt, auch wenn dies bisher von Wiener Gebietskrankenkasse und Ärztekammer ausgeschlossen worden war.

Vizepräsident Martin Gleitsmann will offenbar gar nicht daran denken, dass es zu keinen Korrekturen mehr kommt. Denn der Wirtschaftskammer-Mann hält einen vertragslosen Zustand weiterhin für "wenig wahrscheinlich". Dies wäre nur ein "Worst-Case-Szenario". Grundsätzlich sei die VP-Fraktion ohnehin im heutigen Verwaltungsrat dafür eingetreten, die Abstimmung zu verschieben, was aber von Sozialdemokraten und Freiheitlichen abgelehnt worden sei.

"Entscheidung nicht politisch motiviert"

Vehement wurde von den beiden VP-Vertretern zurückgewiesen, dass die Ablehnung des Vertrags aus parteipolitischem Kalkül erfolgt sei: "Sie ist nicht politisch motiviert", erklärte Frad. Vielmehr wolle man die Sache aus der Tagespolitik heraushalten. Gleitsmann unterstrich, dass die Zeit für eine Zustimmung nicht reif gewesen sei. Immerhin seien die Auswirkungen der VfGH-Entscheidung zum Ausgleichsfonds noch nicht absehbar. Überdies wolle man die Sonderprüfung der WGKK durch das Gesundheitsministerium noch abwarten.

Neuerlich unterstrich der Hauptverbandsvize, dass der Wiener Kassenvertrag aus heutiger Sicht problematisch erscheine, denn der Honorarabschluss für die Ärzte sei ein "sehr hoher". Zusätzlich sei die Vereinbarung mit den Ärzten bezüglich Einsparungen im Medikamentenbereich zu unverbindlich.

Auch Geschäftsführer empört

Im Gegensatz zum Verwaltungsrat bleibt die Geschäftsführung des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger bei ihrer Zustimmung zum Wiener Kassenvertrag. Josef Probst, einziger SP-Mann im Gremium, meinte am Rande der heutigen Sitzung, es handle sich hier um "politische Spiele", die nicht angemessen seien: "In der Sozialpolitik soll man nicht zündeln." Die heutige Entscheidung sei nicht verantwortungsvoll gegenüber Versicherten-Vertretern und Ärzten, die sich in den Verhandlungen korrekt verhalten hätten.

"So leicht will ich es nicht machen"

Mit Erstaunen wurde von Seiten der Sozialdemokratischen Hauptverbands-Vertreter zur Kenntnis genommen, dass Vizepräsident Martin Gleitsmann erklärt hatte, erst Mitte März den Vertrag zur Einsicht zur Verfügung gehabt zu haben. Denn alle Beteiligten seien bereits seit November in die gesamten Verhandlungen um den Kassenvertrag einbezogen worden, hieß es von Seiten der SP.

Obwohl der Verwaltungsrat nun noch Änderungen an dem Kontrakt verlangt, wird man sich übrigens selbst nicht einschalten. Dies sei nicht die Aufgabe des Gremiums, erklärte Gleitsmann: "So leicht will ich es nicht machen."

Ärztekammer überlegt Abbruch der Gespräche

Die Österreichische Ärztekammer ist über das neuerliche Scheitern eines Vertrages mit der Wiener Gebietskrankenkasse empört und überlegt, "unter den gegebenen Umständen alle aktuellen Verhandlungen etwa zur Chefarztpflicht oder zur E-Card vorerst zu unterbrechen". Der Verwaltungsrat desavouiere mit dieser Vorgangsweise die eigene Geschäftsführung und ihre Experten und gefährde die Gesundheitsversorgung der Wiener Bevölkerung. Das Präsidium der ÖÄK stellte auch fest, "dass die Vermutung über die langfristige auch parteipolitische Vorbereitung dieser Entscheidung durch die heutige Abstimmung nicht widerlegt werden könne." (APA)