Prince Rogers Nelson hat sich anlässlich des 25-jährigen Firmenjubiläums wieder dazu aufgerafft, mit "Musicology" eine wirklich gute Platte einzuspielen.

Foto: Sony
The Symbol, The Love Symbol und der Artist formerly known as Prince haben sich auf ein Packerl gehauen und nehmen wieder gemeinsam als Prince Platten auf. Heraus kommt mit "Musicology" das beste Album des 45-jährigen US-Musikers seit über zehn Jahren.


Wien - In der Welt der noch lebenden Pop-Exzentriker mit globalem Starstatus nimmt er neben Michael Jackson mit Sicherheit die Pole Position ein. Und Michael Jackson, der ewige Konkurrent ab den späten 70er Jahren, wenn es darum geht, schwarze Musikstile wie Soul, Funk und Disco mit weißem Pop und Rock kurzzuschließen und damit zum Meister des Universums aufzusteigen, bekommt natürlich auch heute noch sein Fett weg.

Wie heißt es jetzt im neuen bretterharten Minimal-Funk-und Hedonismus-Bekenntnis Life 'O' The Party: "I don't care what they said: ,He don't play the hits no more. Plus I thought he was gay.' It ain't nothing if it ain't fun. My voice is getting higher and I ain't never had my nose done!"

Anlässlich seines 25-jährigen Betriebsjubiläums und kurz vor seinem 46. Geburtstag legt Prince Rogers Nelson mit Musicology sein bestes und kraftvollstes Album seit 1992 vor. Damals konnte man in den US-Charts und in Radio und Fernsehen noch aus The Love Symbol Album ausgekoppelte Singles wie Sexy Motherfucker finden. Heute reicht ein "Jesus!" von Michael Jacksons Schwester Janet in einer Talkshow, um die US-Titten-Taliban bezüglich Bannfluch tätig werden zu lassen.

Von Küste zu Küste

Prince allerdings hat die Zeichen der Zeit erkannt und singt über biblische Zahlenspiele, den Irakkrieg oder das Blumengießen zu Hause. Er gibt sich bei den nach wie vor von ihm erhältlichen Variationen seines Lieblingsthemas zumindest heuer eher züchtig. Das mag zum einen daran liegen, dass Seine Verrücktheit derzeit verheiratet ist. Zum anderen spielt sicher auch sein Eintritt in die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas eine nicht zu unterschätzende Rolle, wenn es um das Eine geht. "Du bläst mich und ich spritze auf dein Hochzeitskleid" und ähnliche Ferkeleien von Alben wie Dirty Mind aus 1980 werden heute im Geiste alter Bluesmusiker gleichnishafter formuliert: "Er wiegte sie von Küste zu Küste" oder "Ich werde sie über meinen Klavierstuhl legen und für sie singen".

Ganz handzahm ist der alte König des Stoßmichziehdich-und Honga-Rock allerdings nicht geworden. Eingedenk seiner tiefen seelischen Wunde, die ihm der US-Rolling Stone zufügte, als er in der Liste der 100 besten Gitarristen aller Zeiten nicht vorkam, jault und zerrt und wütet es hier nicht nur ganz kräftig wie in alten Tagen an der Sechssaitigen. Im hübschen Wimmerorgel-Blues On The Couch legt der im Falsett leidende Prince auch eine bewährte Fährte ins Schlafzimmer: "Don't make me sleep on the couch . . . I wanna go down south."

Musikalisch wird Musicology allerdings vom Funk bestimmt. Trotz der Sichtungen von Blues oder dem Southern Soul eines Reverend Al Green (Dear Mr. Man), trotz bratzigem und testosterongesättigtem Rock (The Marrying Kind) und leider auch käsigem autoerotischen Jazzrock-Gefiedel an Gitarren und Austropop-Synthesizern (If Eye Was The Man In Ur Life): Der Titeltrack gibt die Richtung vor. Prince beschwört - im Alleingang an allen Instrumenten zu Gange - die gute alte Zeit.

Das bedeutet in seinem Fall nicht nur seine eigenen großen Leistungen als Crossover-Künstler. Immerhin hat der Mann mit Alben wie Dirty Mind, 1999 oder Sign O The Times bis zu seinem großen Durchknallen Anfang der 90er Jahre (The artist formerly known as Prince, wir erinnern uns) Meisterwerke geschaffen.

In Musicology, dem Song, verdammt Prince sämtlichen HipHop und Sampling-Kunst mit Ausnahme von Public Enemy und Run DMC. Und er huldigt den Helden seiner eigenen Jugend. Deshalb setzt sich der mitreißende, von Gitarre und Bass getragene Minimal-Funk-Groove zu gleichen Teilen nicht nur aus James Browns The Big Payback und aus Thank You (Falettinme Be Mice Elf Agin) von Sly & The Family Stone zusammen - ohne dass dies allerdings auch offen von Prince zugegeben wird. Vermeidung von unnötigen Zahlungen und so.

Prince zeigt hier in den grandiosen, einzig auf seinem Organ basierenden Chorarrangements auch einmal mehr, wie viele unterschiedliche Gesangsstimmen der Meister in seinem Körper bewirten kann. Trotz der Gastauftritte der Saxofonist/Innen Candy Dulfer und Maceo Parker, Musicology und Songs wie Illusion, Coma, Pimp & Circumstance sind die reife Sololeistung eines Künstlers, der sich die letzten Jahre etwas in der eigenen Verrücktheit und unhörbarem Gedaddel verloren hatte. Respekt! (DER STANDARD, Printausgabe, 15.4.2004)