Bild nicht mehr verfügbar.

Iris Berben liest im Burgtheater Alexander Granach: "Ein wahrhaftiger, würdevoller Mensch."

Foto: APA/dpa/Tom Maelsa
Kommenden Donnerstag liest Iris Berben in der Burg. Dass sie dort nur "amüsante Texte" zum Besten geben soll, ärgert die deutsche Schauspielerin im Gespräch mit Doris Priesching.


Wien - So passiert's, wenn die vermeintlich leichte Muse die Bretter der Hochkultur betritt: "Die beliebte deutsche Schauspielerin liest bei ihrem Auftritt im Burgtheater amüsante Texte zur Unterstützung des Austrian Centers in Jerusalem", verkünden wenig aussagekräftig die Plakate. Iris Berben ist verärgert.

Dass sie aus dem Werk des jüdischen Schauspielers und Schriftstellers Alexander Granach (Da geht ein Mensch) lese, gehe daraus nicht hervor, sei den Veranstaltern ohnehin nicht recht gewesen. "Möglicherweise fanden sie ihn zu wenig amüsant. Ich habe darauf bestehen müssen."

Dabei könnten die Veranstalter darauf vertrauen, dass Berben den richtigen Text wählt. Schließlich pendelt sie seit 35 Jahren zwischen Berlin und Tel Aviv, zeigte unlängst in einer TV-Reportage unbekannte Seiten des Landes und kam für das STANDARD-Gespräch fast direkt aus Israel.

* * *
STANDARD: Wie hat sich Israel verändert, seit Sie zum ersten Mal dort waren? Berben: Damals war es ein Land, das für junge Menschen ganz neue Lebensformen bot. Es war ein offenes Klima. Heute ist Israel schnell, hektisch, angespannt. Und es ist sehr stark von Amerika beeinflusst. Überall ist das zu bemerken, ob auf den Straßen oder an den Menschen. Es findet eine Vereinheitlichung der Kulturen statt. Das ist zwar fast überall in der Welt so, aber Israel war da lange Zeit anders. Nun nicht mehr, das beobachte ich, und es missfällt mir.
STANDARD:
Nach Ihrer TV-Reportage "Und jetzt, Israel?" könnte man meinen, niemand in Israel will den Krieg. Ist das der Eindruck, den Sie haben? Berben: In den rund 70 Gesprächen, die wir für die Reportage geführt haben, wollte tatsächlich keiner den Krieg. Wenn Sie darauf anspielen, warum dieser Film so wenig politisch ist: Das hätte ich so nie gekonnt, und das wollte ich auch nicht. Ich wollte im Grunde Menschen zeigen, ihre Emotionen, wie sie leben und wie sie ihren manchmal sogar ganz normalen Alltag bewältigen.
STANDARD:
Was mögen Sie denn so an Israel? Berben: Eigentlich alles, ich war zum Beispiel jetzt auch in Jerusalem. Das ist eine so seltsame, magische Stadt, ein Kraftzentrum. Ich kenne Menschen in Tel Aviv, die nie nach Jerusalem fahren, obwohl es doch nur eine halbe Stunde entfernt ist. Es gibt einen großen Respekt vor dieser Spiritualität. STANDARD: Wie erlebten Sie den Berufswechsel von der Schauspielerin zur Reporterin? Berben: Sehr beglückend. Ich habe mir mit dem Andreas Lebert, einem Journalisten der Süddeutschen Zeitung , einen Reporter gesucht, den ich von persönlichen Interviews kenne und schätze. Seine Art, ein Interview als Gespräch zu führen und den Menschen auf die Art viel mehr zu entlocken, hat mich sehr beeindruckt. Zu beobachten, wie unterschiedlich Menschen auf Fragen reagieren, fand ich faszinierend. Oder wenn ein Gespräch plötzlich eine ganz andere Richtung annimmt, als man eigentlich in seiner eigenen Vorbereitung geplant hatte - dann war das für mich jedes Mal ebenso Überraschung wie Freude. STANDARD: Wie waren die Dreharbeiten? Berben: Die Dreharbeiten dauerten insgesamt drei Jahre. Wir mussten immer wieder unterbrechen, weil wir keine Drehgenehmigung bekamen. Am Schneidetisch war ich selbst nicht dabei, es war mir unmöglich, aus dieser Fülle von berührenden Gesprächen eine so restriktive Auswahl zu treffen. Wir versuchen, für 3sat oder Phoenix das ausgesiebte Material zu verwerten.
STANDARD:
Wird es weitere Reportagen von Iris Berben geben? Berben: Der Beruf des Journalisten ist wunderbar, man hat die Gelegenheit, mit vielen unterschiedlichen Menschen zu sprechen. Ich meine, Shimon Peres etwa - das ist ein Hochgenuss. Aber um so etwas zu machen, muss mein Herz ganz der Materie verschrieben sein. Und ich wüsste nicht, was das außer Israel sonst noch sein könnte. STANDARD: Im Burgthater lesen Sie Texte von Alexander Granach. Warum gerade er? Berben: Granach ist ein wahrhaftiger, würdevoller Mensch mit einer erstaunlichen Biografie. Er war Bäckergeselle mit neun Geschwistern und schaffte es bis nach Hollywood. (Granach spielte mit Greta Garbo in "Ninotschka", Anm.) . In seinem Buch Da geht ein Mensch erzählt er mit anrührender Sprache Geschichten über Geschichte.
STANDARD:
Sie lesen an Schulen, Universitäten und in Bibliotheken: Wieso dieses Sendungsbewusstsein? Berben: Man muss die Geschichte eines Menschen erzählen. Als ich vor einem Jahr gebeten wurde, einen autobiografischen Text von Amos Oz zu lesen, dachte ich erst: Ich kann das nicht. Aber ich ließ mich darauf ein, und mit den professionellen Mitteln, die mir zur Verfügung stehen, gelang es mir schließlich, nicht in Tränen auszubrechen. STANDARD: Mit Ihren Rollen als Schauspielerin hat Ihr Engagement wenig zu tun. Berben: Das finde ich nicht. Wir drehen zum Beispiel jetzt Das Kommando , einen Film über die deutsche Bundeswehr im Irak, und auch als Kommissarin Rosa Roth versuche ich seit 15 Jahren, gesellschaftspolitische Vorgänge darzustellen. Was die Komödien betrifft, das hat damit natürlich nichts zu tun. Muss es aber auch nicht.
STANDARD:
Wie suchen Sie Ihre Rollen aus, oder anders: Wie kam es, dass Sie 1998 im Film "Kondom des Grauens" mitspielten? Berben: Dafür habe ich mich eingesetzt! 1998 war ich im Bundesrat für die Vergabe von Filmförderungen zuständig und habe im Jahr bis zu 300 Drehbücher gelesen. Ich war von dem Buch begeistert und bewarb mich für eine Rolle. Das ist eine Comicverfilmung, ich spiele eine Frau, die die Welt von Sexualität säubern will. In Japan ist der Film Kult.
STANDARD:
Wie gehen Sie mit Ihrer Berühmtheit um? Berben: Ich bin ja eigentlich ein bodenständiger Mensch. Aber ich gebe zu, es fällt mir schwer, in ein volles Kaufhaus zu gehen. Vor allem alleine, ich fühle mich be- und verurteilt. Deswegen habe ich mir auch einen Hund zugelegt: Indem ich mit ihm spazieren gehe, setze ich mich dem mehr aus. Es ist ein Training für mich als öffentlicher Mensch. (DER STANDARD, Printausgabe, 17./18.4.2004)