Susanne Mitterbauer Die Piste des Flughafens in der Hauptstadt San Pedro - das sind die einzigen asphaltierten 500 Meter auf Ambergris Caye. Daneben steht eine windschiefe Hütte, und Hauptstadt ist auch etwas übertrieben: Nur Fahrräder und Golfkarren verkehren auf den Sandwegen. Auf ersteren sitzen die Alternativen, die Sportlichen und die Einheimischen, auf zweiteren die vorwiegend ältlichen amerikanischen Ehepaare. Für Taucher ist diese Insel mitten im zweitgrößten Korallenriff der Welt ein Paradies. Kurze Bootsfahrten, spektakuläre Tauchgänge - es muß wirklich nicht das "Blue Hole" sein, das erst in 50 m Tiefe interessant wird und somit schwer zu betauchen ist. Amerikanisches "easy going" steht an der Tagesordnung, gepaart mit "having fun" und "have a good time". In der "shark-alley", einem seichten Kanal zwischen zwei Korallenstöcken, kommen demnach goldbraune Ammenhaie und Rochen bis knapp unter die Wasseroberfläche. "Jump in and swim with them" sagt der Tauchlehrer und meint es ernst. Man sollte jedes Schwimmangebot mit oder ohne Fischbegleitung wirklich ernst nehmen. Denn an der Küste sind die Möglichkeiten enttäuschend gering. Niederwasser und Seegras machen den Strand wenig attraktiv. Aber der Blick ist wunderbar: die weißschäumende Riffkante ganz nahe, die grün-blau schimmernde Lagune - und darüber tanzen Wasservögel. Reiher stelzen durch den Schlick, Kormorane fischen im Seichten, Fregattevögel segeln durch die Luft. Alternative und Touristen, die das Ursprüngliche reizt, lieben dieses Land, weil es aussieht wie in der Karibik vor 30 Jahren, wobei man nie genau weiß, ist das alles noch pittoresk oder schon heruntergekommen. Alles ist überschaubar, menschlich. Die Hotels sind klein und bieten nicht viel mehr als den lebensnotwendigen Komfort. Im "Victoria House" stehen 20 Villen unter Palmen und sehen so privat aus, als hätte sie der Besitzer erst gestern verlassen. Ökotouristen und Naturliebhaber vergöttern dieses Land, weil es mit internationaler Hilfe ehrgeizige Artenschutzprojekte durchgezogen hat. Hier gibt es noch freilebende Populationen von Seekühen, Jaguaren, Brüllaffen und Ozelots. Gar nicht zu reden vom Kleingetier und von den 500 Vogelarten. Das Land ist wirklich sehr klein, von Belize City, dem Ausgangspunkt jeder Erkundung, sind es kaum zwei Autostunden bis zum Regenwald. Die Fahrt führt an Mangrovensümpfen vorbei, vorerst durch eine uninteressante Landschaft, dann kommt der Belize Zoo, für den man sich einige morgendliche Stunden reservieren sollte. Denn Jaguar, Ozelot und Puma wird man kaum im Urwald antreffen. Der hat dafür jede Menge anderer Sensationen zu bieten: undurchdringlich, da und dort durchzogen von schmalen Trails, rauschende Flüsse und Wasserfälle, in denen man gefahrlos baden kann, Zeugen der Maya-Kultur fast auf Schritt und Tritt. San Ignacio ist das Zentrum und nahe davon haben sich Lodges für alternative Gäste angesiedelt. 20 gemauerte, palmstrohgedeckte Hütten auf einem gezähmten Stück Urwald, als Beleuchtung dienen Petroleumlampen und Öllichter, Air-condition findet nur statt, wenn der Wind weht. "Was um Himmels willen werde ich in dieser Einsamkeit anfangen," war mein erster Gedanke. Als ich dann nach des Tages schweißtreibenden Mühen vor meiner temporären Bleibe sitze, warten in Sichtweite Leguane auf Beute, in den hohen Bäumen, in den blühenden Büschen und im Unterholz zwitschern und singen die Vögel und Zikaden ohrenbetäubend. Zahllose Arten gibt es im Regenwald, und Luis, mein Führer auf Paddelfahrten, Wanderungen, Reitausflügen, Maya-Ruinen-Erforschungen und Höhlenklettereien, kennt sie fast alle. Und er kennt noch viel mehr. Er zeigt mir rothäutige Bäume, die ihre Haut verlieren und "tourist-tree" heißen. Bäume, deren Früchte und Blüten direkt am Stamm wachsen. Einen Christus-Gecko mit Dornenkronen-Kamm, der quasi übers Wasser geht, indem er mit Schwanz und Hinterbeinen paddelt und den Oberkörper steil nach oben hält. Eine der größten Überraschungen ist übrigens das beinahe völlige Fehlen von lästigen Kleininsekten. Und langsam lerne ich sehen, lerne ruhig zu werden, Geduld zu haben, mich einfangen zu lassen von diesen Wundern der Natur. Bunte Schmetterlinge überall, der schönste, der "blue morpho", wird in "chaa creek" nachgezüchtet. Heilsame Pflanzen - der "medicine trail" zeigt sie, und in der nahegelegenen Station werden sie erforscht. Der Regenwald birgt ungeheure pharmazeutische Geheimnisse, die einheimische Medizinmänner und uralte Kräuterweiblein seit urdenklichen Zeiten kennen. Peter, ein Affenforscher der Universität Atlanta, leitet ein Projekt zur Umsiedlung der schwarzen Brüllaffen. Solche und ähnliche international finanzierte Projekte finden sich viele hier, das Land ist zum Großteil Schutzzone und Naturreservat. Krönender Abschluß - die Abreise: zeitig in der Früh zwei Stunden lang im Kanu den Macal-River flußabwärts. Fische springen, Kormorane tauchen, Kinder schwimmen, Frauen waschen ihre Wäsche und Männer ihre Hunde. Es herrscht die Stille des Urwaldes, unterbrochen von den Tausenden Rufen der "early morning birds". © DER STANDARD, 1./2. August 1998 Automatically processed by COMLAB NewsBench