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Zur Hölle mit der EU-Verfassung: Am Londoner Westminster Square gehören solche Statements beinahe schon zum folkloristischen Repertoire.

Foto: EPA/Young
... In Brüssel dagegen fordert man Konsequenzen aus der Ankündigung des britischen Premierministers.


London/Brüssel - Die britische Labour-Regierung kann nach Überzeugung von Außenminister Jack Straw das angekündigte Referendum über die geplante neue EU-Verfassung gewinnen. Aber selbst bei einer Niederlage müsse Premierminister Tony Blair nicht unbedingt zurücktreten, sagte Straw Mittwoch der BBC.

Blair hatte Dienstag in einer spektakulären politischen Kehrtwende ein Referendum angekündigt. Obwohl er keinen Termin für die Volksbefragung nannte, wird diese voraussichtlich erst nach den nächsten Unterhauswahlen in der ersten Jahreshälfte 2005 stattfinden. Straw hatte sich maßgeblich für ein britisches Referendum eingesetzt, um so größeren britischen Einfluss auf die Verhandlungen über die Verfassung zu sichern.

Blairs neuer Kurs wird in Brüssel mit großem Unbehagen verfolgt. Ein solches Plebiszit sei "de facto ein Votum über die britische EU-Mitgliedschaft", kommentiert ein EU-Diplomat. Befürchtet wird, dass Blair bei den anstehenden Schlussverhandlungen nun seine "roten Linien" noch entschiedener verteidigt, und dass weitere EU-Regierungen dem britischen Modell folgen.

Bisher haben sieben weitere EU-Staaten (Tschechien, Dänemark, Irland, Luxemburg, die Niederlande, Portugal und Spanien) Referenda angekündigt. Führende EU-Politiker im Verfassungskonvent wie der Beobachter des Europaparlaments bei der Regierungskonferenz, Klaus Hänsch, fordern in Hinblick auf Blairs Entscheidung, dass einem Nein zur Verfassung konsequenterweise ein Austritt aus der EU folgen sollte.

"Und ihr seid draußen"

Auch der der grüne österreichische EU-Parlamentarier und Mitglied des Verfassungskonvents, Johannes Voggenhuber, meint, die Briten müssten ein für alle Mal ihr Verhältnis zur EU klären. "Wenn ihr Nein sagt, ist es ein Nein zu Europa und ihr seid draußen", sagte der grüne Abgeordnete.

Juristisch kann die Verfassung nur in Kraft treten, wenn alle EU-Staaten den Vertrag ratifizieren. Das weitere Vorgehen bei einem Nein ist aber unklar. Im Verfassungsentwurf heißt es nur, bei Änderungen des Vertrags könnte ein Gipfel nach Ablauf von zwei Jahren und bei Ratifizierung von vier Fünftel aller Staaten sich mit der Frage befassen. Ein Szenario für einen Austritt eines Landes ist aber nicht vorgesehen, wenn die Verfassung nicht in Kraft tritt.

Politisch macht es nach Einschätzung von EU-Diplomaten einen großen Unterschied, ob ein großes Mitgliedsland wie Großbritannien oder gar ein Gründerstaat der Union das Vertragswerk ablehnt, oder ein kleines Land an der Peripherie der Gemeinschaft. Denn bei Ablehnung in einem kleinen Land könnte die EU dieses leichter vor die Alternative eines Austritts stellen. Die Frage wird umso heikler, je mehr Länder Nein zur Verfassung sagen. (APA, dpa/DER STANDARD, Printausgabe, 22.4.2004)