Warschau/Wien - Auch Polen plant anscheinend ein Referendum über die EU-Verfassung. Präsident Aleksander Kwasniewski sagte am Dienstag der Financial Times, dass eine Volksabstimmung dem Risiko vorzuziehen sei, eine Niederlage im stark gespaltenen Parlament zu erzielen. Der Präsident bezweifelte nämlich, dass im polnischen Parlament die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit für die Ratifizierung der Verfassung erreicht werden könnte.

"Kann man die Verfassung in Polen verkaufen? Ich denke ja", sagte Kwasniewski. "Meiner Ansicht nach, kann man die öffentliche Meinung so drehen, dass sie für die Europäische Union ist." Nach dem Buchstaben der polnischen Verfassung steht dem Staatsoberhaupt bei Zustimmung des Parlaments das Recht zu, Volksabstimmungen auszuschreiben.

Bereit für Lösung

Das polnische Staatsoberhaupt betonte, dass Polen, das im Dezember zum Scheitern des Verfassungsgipfel beigetragen hat, bereit sei, eine Lösung auszuhandeln. Beim EU-Gipfel im März hatte Polen erstmals das im Verfassungsentwurf vorgesehene Prinzip der doppelten Mehrheit für Entscheidungen im Ministerrat akzeptiert.

"Notbremse"

Polen wäre mit einem Kompromiss einverstanden, wenn die neue Verfassung eine "Notbremse" beinhalte, mit der das Abstimmungssystem außer Kraft gesetzt werden könne für Fragen von grundlegender nationaler Wichtigkeit. "Die vorgeschlagenen Sicherheitselemente könnten meiner Meinung nach ausreichend für Polens öffentliche Meinung sein", sagte Kwasniewski, der nächste Woche nach Großbritannien reist.

Der britische Premierminister Tony Blair hatte ebenfalls ein Referendum zur EU-Verfassung angekündigt. Da eine Ablehnung der EU-Verfassung durch die britischen Bürger Umfragen zufolge als sicher gilt, wurde die Ankündigung Blairs in Brüssel mit großem Unbehagen verfolgt. (APA)