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Martin erwartet sich "je nach Wahlbeteiligung 100.000 bis 150.000 Stimmen."

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Hans-Peter Martin will es wissen und zieht erneut in die Wahlschlacht - diesmal ganz alleine. Weil er "aufräumen" will.

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Der parteifreie Abgeordnete bräuchte für seinen neuerlichen Einzug wenigstens 100.000 Stimmen. Politologen halten das für möglich - mithilfe der "Krone".


Bregenz/Wien - Hans-Peter Martin will "bei der EU in Brüssel aufräumen". Und tritt daher mit einer eigenen Liste an. Den neuerlichen Sprung ins EU-Parlament im Juni will Martin "ohne Mitstreiter und ohne Wahlkampfbudget" schaffen. Dafür kann der 47-Jährige mit der Unterstützung mancher Medien rechnen. Die Kronen Zeitung steht hinter dem parteifreien Abgeordneten, in Deutschland kann Martin auf die Bild-Zeitung zählen. Regelmäßiger Gast ist er bei Stern-TV. Martin lässt sich von BBC begleiten und findet auch in englischen Zeitungen Anklang. Am vergangenen Freitag filmte Martin jene Abgeordnete, die sich in die Anwesenheitsliste in Straßburg eintrugen. Der britische Abgeordnete Gordon Adams stieß ihn dabei nieder, wie auch ein in der Sunday Times veröffentlichtes Foto belegt.

Um den Einzug ins EU-Parlament zu schaffen, braucht Martin nach eigenen Angaben "je nach Wahlbeteiligung 100.000 bis 150.000 Stimmen". Meinungsforscher und Politikwissenschafter sind sich einig, dass Martin jedenfalls Chancen hat. "Martin wird nicht 20 Prozent kriegen, aber eine bestimmte Klientel ist vorhanden", sagt der Politikwissenschafter Fritz Plasser. Die Kandidatur werde eher zulasten der FPÖ, vielleicht auch der SPÖ gehen, glaubt der Meinungsforscher Peter Ulram.

Martin will "für mehr Demokratie und gegen Spesenrittertum" kämpfen. "Mein Kapital sind interessierte Bürger", sagte er am Donnerstag. Die Absicht anzutreten, hat Martin bereits am Mittwoch im Gespräch mit dem STANDARD kundgetan. "Die Missstände, die ich dargelegt habe, interessieren die Öffentlichkeit."

Bisher habe er "erst ein bisschen die Decke gelüftet", der öffentliche Druck müsse "noch verstärkt werden". Wenn alle EU-Abgeordneten ehrlich abrechnen würden, dann würden sich die Steuerzahler in ganz Europa nach Martins Berechnungen 250 Millionen Euro ersparen.

Am Mittwochabend hatte Martin auch in Stern-TV Bilanz gezogen: Es sei kein Problem, an die 100.000 Euro im Jahr zusätzlich, und zwar steuerfrei, also netto einzustreifen. "Es geht um die reine Gier", und das habe etwas mit Unersättlichkeit zu tun.

Bei den Abgeordneten im EU-Parlament ist Martin entsprechend unbeliebt. Mit seinen Kollegen von der SPÖ, für die er 1999 als Spitzenkandidat angetreten ist, hatte sich Martin schon am ersten Tag nach der Wahl überworfen. Da wurde nicht Martin, den der damalige SPÖ-Chef Viktor Klima als Quereinsteiger aus dem Hut gezaubert hatte, zum Delegationsleiter gewählt, sondern Hannes Swoboda. Seitdem hält der ehemalige Journalist und Buchautor die SPÖ mit Vorwürfen auf Trab.

Das Vertrauliche öffentlich zu machen, brachte ihm jetzt wieder jene Aufmerksamkeit ein, die er in den fünf Jahren im EU-Parlament vermissen musste. Seine mit versteckter Kamera und Mikrofon gemachten Aufzeichnungen aus den Gängen und Sälen des EU-Parlaments geben insbesondere den Boulevardmedien reichlich Stoff. Die anderen Abgeordneten werfen ihm dafür Spitzelmethoden vor. Für Martin ist es "Notwehr", um sein Anliegen transportieren zu können. (völ/DER STANDARD, Printausgabe, 30.4./1./2.5.2004)