Sie riechen gut, sehen gut aus und werfen beachtliche Mengen an rauchfeinen Blättern ab: die mannshohen Tabakpflanzen, die neuerdings nicht mehr nur auf Plantagen sprießen, wie man sie heute noch in der Steiermark etwa aus der Fürstenfelder Region kennt. In Tausenden deutschen Kleingärten sieht man die markanten, fleischigen, grünen Blätter ebenso wie auf Villengrundstücken und Terrassen.

Nun scheint der Trend auch auf Österreich überzugreifen. 30 verschiedene Tabaksorten haben die beiden Jungunternehmer von tabakanbau im Sortiment. Auf die richtige Mischung komme es an, erklärt Martin Barth, einer der beiden aus dem Schwabenland stammenden Gründer des derzeit stark angesagten Tabak-Webshops. Unter der Adresse wird Hochzucht-Saatgut angeboten, das mit den Notkräutern der Großväter, die damit zu Kriegs- und Nachkriegszeiten ihre Pfeifen stopften, nichts mehr gemeinsam hat. Virginia, Burley, Orient werden als Standards gehandelt, so Barth, aber die richtige Würze geben erst Sorten wie Maryland, Kentucky, Sumatra oder der bodenständige Geudertheimer, Sorten, mit denen man selbst nach Belieben experimentieren kann.

Derzeit sind die Leute von "tabakanbau.at" gerade dabei, historische Varietäten wieder zu entdecken. Schließlich hat der Tabakanbau für den Eigengebrauch auch in unseren Breiten eine spannende Geschichte, an der sich hautnah wirtschaftliche wie soziale Entwicklungen ablesen lassen: In der Habsburgermonarchie wurde der aus Amerika kommende Tabak als Heil- und Zierpflanze in den 1570er-Jahren sowie als "Soldatenkraut" während des Dreißigjährigen Krieges bekannt. Im oberösterreichischen Freistadt warteten 1658 in den Verkaufsniederlassungen diverser Händler bereits 9000 Pfeifen auf Käufer, und 1656 wurde in Salzburg konstatiert, dass selbst Priester schon rauchten, was den Fürsterzbischof zu einer Ermahnung veranlasste. In manchen Regionen Österreichs wurde so viel für Tabak ausgegeben wie für das begehrte, teure Salz. Kein Wunder, dass das Interesse daran wuchs, das Kraut in die bäuerliche Selbstversorgung zu integrieren. Nach der Etablierung landesfürstlicher Tabakkontrollen wurde 1723 erstmals der freie Verkauf von Tabak untersagt, der daraus entstehende Konflikt wurde währende des gesamten 18. und 19. Jahrhunderts zum Dauerbrenner.

Auch nach dem Fall des Tabakmonopols, werden nur noch an die 190 Hektar Tabak angebaut

Als in den Jahren 1848 und 1860 die Oberinntaler Gemeinden gegen das habsburgische Monopol eine förmliche Erlaubnis erstritten, für den Eigenverbrauch weiterhin Tabak anbauen zu dürfen, wurde der Hebel des Kompromisses genau dort angesetzt: Es wurde ihnen das Recht des Eigenanbaus zwar zugestanden, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sie sich auf minderwertige Sorten beschränkten. Schließlich wurde aber selbst den hartgesottenen bäuerlichen Konsumenten dieses Kraut zu scharf. So kam es, dass der Tabakanbau im eigenen Gärtlein im 20. Jahrhundert nur den Kriegs- und Notzeiten vorbehalten blieb und seit der Nachkriegszeit völlig unterging. Heute, auch nach dem Fall des Tabakmonopols, werden in Österreich nur noch an die 190 Hektar Tabak angebaut, der Großteil davon in der Steiermark. Bei den in Deutschland und Österreich in diesem Zeitraum laufend verbesserten Qualitäten setzt "tabakanbau.at" an. Mancher gedenkt, seinen "grünen Daumen" an einer neuartigen Zierpflanze auszuprobieren, ein anderer will steigenden Steuern und Zigarettenpreisen ein Schnippchen schlagen, ein anderer ein garantiert ökologisches Produkt.

Dass die fleischigen grünen Stauden aber auch noch andere Aufgaben übernehmen können, weiß man erst seit wenigen Jahren. Ozonsensitive Tabaksorten können als eine Art Frühwarnsystem bei schwindender sommerlicher Luftqualität eingesetzt werden. Bei zu hohen Ozonkonzentrationen bilden sich weiße Pünktchen auf den Tabakblättern. Immer öfter pflanzen staatliche Aufsichtsorgane und Forscher daher die Pflanzen an Autobahnkreuzen anstatt in heimeligen Vorgärten. (DERSTANDARD/rondo/Andreas Semerad/07/05/04)