Wien - Der Beginn ließ einiges erwarten. Am rechten Bühnenrand stand Mike Patton und blies mit seiner Melodika das elegische Motiv von The Godfather . Jener Mafiatrilogie von Francis Ford Coppola aus den 70er-Jahren, die die Geschichte der Familie Corleone in epischer Länge erzählt. Wie in den drei Teilen des Films wichen die beschauliche Nostalgie, die süße Erinnerung und die Wärme der Familie bald brutaler Gewalt.

Was im Film Pistolen- und Gewehrkugeln oder die gute alte Drahtschlinge besorgen, legt Mike Patton in die Hände von Buzz Osborne, Dave Lombardo und Trevor Dunn. Drei Meuchler der etwas anderen Sorte. Buzz Osborne, der Mann mit der Sideshow-Bob-Frisur, ist der Welt als Gitarrist der 70er-Jahre-Hardrock-Verwalter Melvins bekannt. Trevor Dunn, der farbloseste der vier, die hier eben ein lärmendes Blutgericht auf der Bühne des Planet Music veranstalten, spielte früher Bass bei der Band Mr. Bungle.

Dave Lombardo wiederum war der Drummer der Säulenheiligen des Metal, von Slayer. Mike Patton, der mit diesen drei Musikern die Supergroup Fantômas komplettiert, ging mit der Crossover-Formation Faith No More (We Care A Lot!) in die Musikgeschichte ein.

The Godfather, das Stück, das am Samstag eine Experimentierstunde zum Thema Metal einleitete, stammt vom bisherigen Meisterwerk der US-Band. Auf dem Album The Director's Cut aus 2001 unterzogen Fantômas bekannte Soundtracks einer Reißwolfbehandlung. Die Resultate waren erstaunlich. Präzise Soundcollagen, bestehend aus Resten des Ausgangsmaterials und einer infernalischen Neudeutung, erblühten an ihren Bruch- und Nahtstellen zu verführerischen Blumen des Bösen.

Patton, der neben seiner erstaunlich wandlungsfähigen Stimme bei Fantômas neben den Ideen die Zutaten aus der elektronischen Zauberkiste liefert, fungierte live als Dirigent dieser sich meist eruptiv entladenden Soundschübe. Während The Director's Cut mit den Originalmotiven ein gewisses Songpotenzial im herkömmlichen Sinn aufwies, besteht das aktuelle Werk Delìrium Còrdia nur noch aus narrativ kaum zusammenhängenden Teilen, aus denen sich da und dort markige Gitarrenriffs erheben, um daran zu erinnern, dass es sich nicht um eine Arbeit eines Laptop-Onanisten mit sakralen Neigungen handelt.

Ausgerechnet dieser Einfluss prägte den Liveauftritt. Leider. Nach einer routinierten Heimsuchung von Al Greens Soulballade Simply Beautiful regierte sich wiederholende Effekthascherei. Patton keifte und geiferte pflichtschuldig ins Mikrofon. Lombardo erwies sich zwar als - no na! - exzellente Mischmaschine, und die Fähigkeiten von Osborne stehen ebenfalls außer Zweifel.

Doch es reichte definitiv nicht, diese Ausnahmemusiker auf eine Bühne zu stellen und Dienst nach (Pattons) Vorschrift machen zu lassen. Es fehlte länger anhaltender Druck, es mangelte an tauglichen Sujets. Dem Gebotenen, oft nur eine Minute dauernde Soundwälle, von Pattons hysterischem Gekreisch fragwürdig "veredelt", fehlte die Stringenz. Einem Fixposten, der die Ideenschübe zu binden vermochte. Patton war an diesem Abend nicht der Mann dafür. Eine stiefmütterlich gebotene Show versandete in sich ständig wiederholenden Eskapaden und verendete nach etwas über einer Stunde. (DER STANDARD, Printausgabe vom 10.5.2004)