Der Kardinal-Nagl-Platz ist aus zwei Gründen bekannt: Er ist eine U3-Station und als Drogenumschlagplatz diffamiert worden. Dabei hat das Grätzl hinter Wien-Mitte in den letzten Jahren einen Wandel durchgemacht und ist zur ruhigen Wohngegend geworden.

***

Foto: Standard/ Matthias Cremer

Wien - Es gibt in der Stadt die spektakulären Plätze und die unspektakulären. Aufsehen erregend ist zurzeit das Areal rund um Wien-Mitte. Weil dort am Bahnhof nichts weitergeht und alle drüber reden. Was sich in dem Grätzl dahinter abspielt, am Kardinal-Nagl-Platz, weiß man kaum.

Der Platz fällt wienweit in seinem Bekanntheitsgrad eher in die Kategorie "schon gehört, das ist eine U-Bahn-Station". "Verschlafen, aber multikulti", charakterisiert ein Fotograf den Erdberger Platz.

Foto: Standard/ Matthias Cremer

Wohnideen

Das Viertel zwischen Erdbergstraße und Donaukanal ist mit wenigen Schlagworten charakterisiert: ehemalige Arbeitervorstadt, heute High-tech mit Siemens und Henkel, sanierter Wohnbau. Von früheren "massiven Spannungen" ist die Rede, Streits zwischen Alteingesessenen und Zugewanderten, erinnert man sich beim Wiener Integrationsfonds. Dazu der Rabenhof als Referenzbau sozialdemokratischer Wohnideen.

Foto: Standard/ Matthias Cremer

Wandel

Aber in den letzten Jahren hat das Grätzl einen grundlegenden Wandel erfahren. Begeht man heute dieses Viertel, sieht man ausgebaute Dachböden, die aus der Stadtsilhouette hüpfen, sind die Fassaden der Gründerzeithäuser in frischem Gelb und Weiß getüncht, finden sich der kosovarische, der bulgarische und der türkische Klub und das "Kommunikationscafé Goldengel". Vor ein paar Jahren wurde der Wohnpark Erdberg errichtet, junge Leute sind dort eingezogen, meint "Ureinwohner" und Bezirksrat Georg Schüller (VP).

Dazwischen, zum Teil grau in grau, stehen die Gemeindebauten, die ab Ende der 20er-Jahre vorwiegend die Siemens-Arbeiter beherbergten. Eine bessere Erschließung durch den Bus täte dem Grätzl gut, meint Schüller. Der Bau der U3 nach Erdberg sei zwar unschätzbar, aber für die Wege dazwischen fehlen Öffis.

Foto: Standard/ Matthias Cremer

Fußball im Käfig

"Alter, schieb her die Wuchtel!" Ali kickt Stefan den Ball rüber, der locht im Fußballkäfig am Kardinal-Nagl-Park ein. Hier findet jeder sein Eck: Burschen spielen Fußball, Mädels flanieren um sie herum, am Würstlstand stehen Pensionisten und Obdachlose um ein Glaserl an.

"Der Platz war vor einigen Jahren großes Thema", sagt Stefan Almer vom Integrationsfond. Der Park habe für seine Größe eine hohe Frequenz, vor allem in den Morgen- und Abendstunden, wenn die U-Bahn die Menschen her- und wegspült.

Foto: Standard/ Matthias Cremer

Nagl-Park

Der Park ist weit und breit das einzige grüne Fleckerl. Dem Übermut von Jugendlichen begegnen die Jugendarbeiter der "Salesianer Don Bosco" mit Spieltischen, die sie alle paar Tage rausräumen. Betreuer Sükrü Akbal bemerkt eine gewisse Aggressivität mancher Jugendlicher. Aber fürchten müsse man sich nicht im Nagl-Park.

Und das immer wieder kolportierte Drogenproblem? Dem widerspricht Wolfgang Preiszler, Leiter der "Stabstelle Suchtgift" der Wiener Polizei. "Derzeit überhaupt nicht. Die Kollegen waren erst gestern dort - nichts gefunden." (Andrea Waldbrunner, DER STANDARD Printausgabe 15716.5.2004)

Foto: Standard/ Matthias Cremer