Wien - Die Regierungsspitze hat die nächtliche Einigung über das Tierschutzgesetz am Mittwoch begrüßt. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) sprach in einer Aussendung von einem "ausgewogenen Paket" und dankte ausdrücklich den Verhandlern aller Parteien. Vizekanzler Hubert Gorbach (F) sieht nun wieder ein Vorhaben des Regierungsprogrammes umgesetzt - nun bleibe noch der "große Brocken Pensionsharmonisierung", der bis spätestens Herbst beschlussreif gemacht werden müsse. Freude über die Einigung drückten auch Sozialstaatssekretärin Ursula Haubner und Klubobmann Herbert Scheibner (beide F) aus.

Kanzler Schüssel betonte, dass es ein "langer und vor allem für die ÖVP nicht einfacher Weg" gewesen sei. Aber: "Der Weg war richtig", so der Bundeskanzler, "mit starker Einbindung von Experten und Praktikern ein Gesetz zu erstellen, das den Ansprüchen einer zeitgemäßen Tierhaltung entspricht. Österreich wird damit über das modernste Tierschutzgesetz Europas verfügen."

Molterer sieht "große Sache"

ÖVP-Klubobmann Wilhelm Molterer sieht in der Vier-Parteien-Einigung auf ein neues Tierschutzgesetz "eine große Sache". Man habe ein "hohes Tierschutz-Niveau" erreicht und gleichzeitig einen "Perspektive für die bäuerliche Landwirtschaft" geschaffen, sagte Molterer am Mittwoch vor Journalisten. Mit Widerstand durch den VP-Bauernbund rechnet er scheinbar nicht.

Es sei aber klar, dass "nicht nur totale Begeisterung" herrsche, sagte Molterer. Das gelte aber wahrscheinlich auch für die anderen Parteien. Die Bestrebungen müssen für ihn nun dahin gehen, dass die Angebote der Landwirtschaft auch von der "Gesellschaft honoriert" werden. Der Bauernbund werde "zu Recht die Solidarität" mit der Landwirtschaft einfordern, damit die in artgerechter Tierhaltung erzeugten Produkte auch vom Markt und den Konsumente angenommen werden.

Dazu werde auch die eine oder andere "zusätzliche Investition" nötig sein, meinte Molterer. Die Instrumente der Investitionsförderung gebe es - "die sind vorhanden".

Gorbach sprach von einem "Beweis dafür, dass allseitige Gesprächs- und Kompromissbereitschaft zum Ziel führt". Eindeutiger Gewinner sei "das Geschöpf Tier. Denn Tiere haben es nicht verdient, unter parteipolitischem Hickhack leiden zu müssen. Als Tierfreund fällt mir ein Stein vom Herzen", so Gorbach.

"Vorreiterrolle in Europa"

"Österreich unterstreicht seine Vorreiterrolle in Europa", meinte Haubner und ergänzte, die FPÖ hätte "bereits seit rund zwei Jahrzehnten für ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz" gekämpft. Man könne "ohne Übertreibung sagen, dass die nunmehr erfolgte Einigung den Tierschutz in Österreich revolutioniert", so Haubner. Sie hofft, dass die heimische Lösung Vorbildwirkung für Europa hat, "denn auf europäischer Ebene liegt noch einiges im Argen."

Scheibner wies darauf hin, dass es auf Initiative der FPÖ in der Verfassung einen gemeinsamen Entschließungsantrag aller vier Parteien an den Österreich-Konvent geben werde. Damit wolle man sicherstellen, "dass das Mitgeschöpf in der persönlichen Verantwortung des Menschen dauerhaft in der Verfassung verankert ist".

Haupt: "Wir sind am Ziel angelangt"

"Zufrieden" zeigte sich am Mittwoch Sozialminister Herbert Haupt (F) mit der Einigung über das Bundestierschutzgesetz. "Diesmal sind wir am Ziel angelangt", sagte er bei einer Pressekonferenz.

Dass im neuen Gesetz das Schächten von Tieren mit anschließender Betäubung erlaubt werden soll, akzeptiert der Minister offenbar: "Wir haben hier Konzession an die Religionsfreiheit machen müssen." Die Leidensdauer der Tiere werde durch die Betäubung jedenfalls entscheidend verkürzt, sagte er. Zudem werde verhindert, dass die islamische Glaubensgemeinschaft "auf der offenen Wiese" massenweise Schafe schächte, zeigte er sich zufrieden.

Haupt betonte, dass auch der Großteil des Koalitionspartners ÖVP hinter dem Tierschutzgesetz stehe, obwohl "einige wenige" bis zuletzt versucht hätten, ihren Standpunkt durchzusetzen. Auf die Frage, ob damit der Bauernbund gemeint sei, meinte er, dass auch dieser jetzt hinter dem Gesetz stehe.

Der Sozialminister begrüßte, dass die Käfighaltung bei Hühner ohne Zwischenstation auf Volieren umgestellt werden soll. Die Tierschutzsprecher hatten sich darauf geeinigt, die ausgestalteten Käfige ebenfalls zu verbieten. Zum Tierschutzombudsmann erklärte Haupt, dass dieser künftig eine Parteienstellung erhalte. Er sei weisungsfrei und werde in allen neun Bundesländern installiert. Dazu soll er künftig alle zwei Jahre einen Bericht an den Nationalrat übermitteln.

Er zeigte sich weiters erfreut, dass der Tierschutz als Staatszielbestimmung "nunmehr keine strittige Frage" mehr sei. Eine Vierparteien-Einigung sei "natürlich" eine Kompromiss-Lösung. "Ich bin aber der Meinung, das Perfekte ist der Feind des Guten", sagte er. Haupt betonte, dass er bereits 1992 eine Initiative gestartet habe, dass der Tierschutz in den Verfassungsrang erhoben wird. Zudem habe er das bundeseinheitliche Tierschutzgesetz als Vorbedingung für eine neue Koalition verlangt. (APA)