Ich bin objektiv. Ich nütze all die schönen Tonträger, die Musik enthalten könnten, nicht mehr - wie in frühen fanatisierten Tagen - ritualisiert und fetish-like, sondern ich arbeite mit ihnen, ganz Radio-Alltag-normal. Neben dem PC, der hin und wieder Mp3s oder sonst was bekommt und abspielt, stapeln sich CDs, DATs und sogar die eine oder andere Minidisc. Obenauf am hinteren Stoß liegt eine (in Zahlen: 1) Kassette. Ich hab' nichts gegen die moderne Technik: Ich liebe den digitalen Schnitt und möchte nie mehr zurück in das Zeitalter der Bandmaschinen.

Trotzdem werde ich die nodigste Kassette, das abgeschabteste Tape immer mehr lieben als alle anderen Trägermedien. Und das nicht deshalb, weil ich mir bei jedem Blick auf jedes Tape die vielen Herzblut-Kompilationen, die ich der Liebe wegen aufgenommen habe, vergegenwärtige. Nein, es geht um ganz praktische Dinge. Darum, dass Mp3s nicht nur semilegale Bösewichte, sondern auch unzuverlässige Abstürzler sind, dass CDs von drei Abspielstationen nur auf maximal einer funktionieren und dass MDs schon beim Einlegen launischer sind als Liz Taylor beim Friseur. Einzig auf die kleine klobige DAT scheint zunächst Verlass. Aber: Wenn die einmal spinnt, ist auch alles weg, was vorher mühevoll draufgespielt wurde.

Die Kassette mag sich verwurschteln und verknautschen: Irgendwas ist da im Notfall immer zu retten. Für die Musikhör-Hektiker, die nach jedem Intro schon herumzappen müssen, ist die Kassette ein schöner Retro-Arschtritt in Richtung Lebensqualität. Wer sich selbst gut einschätzen kann, muss keine 17 CDs auf die Spritztour mitnehmen oder den Besuch mit 80 mps3-Tracks am PC langweilen - zwei klug kompilierte Tapes reichen, ganz ohne Skip- oder Index-Schnick-Schnack. Die Kassette aus meinem Stoß ist übrigens aus Finnland eingeflogen gekommen und hat eine, wie der Begleitbrief erläutert, kilometerträchtige Geschichte, die man ihr auch ansieht. Und deshalb liegt sie da obenauf.