Lieben Sie Parties? Auf diese Frage fällt mir nur eine Gegenfrage ein: Lieben Sie Dilettanten? Dilettanten haben etwas ausgesprochen Anziehendes, man kann ihnen ja, wenn man Glück hat, beim Scheitern zuschauen und viel davon lernen. Profis sind natürlich die Sicherheitsnummer. Auf allen Gebieten würde ich stets den Dilettanten beauftragen, bloß beim Ausgehen - also ich finde, eine Bar ist eine Bar.

Die vergangene Woche war partygeschwängert und deshalb sehr anstrengend. Zwei Einladungen konnte ich entrinnen, aber bei zweien kam ich nicht umhin, meine Vorstellungskraft unter Beweis zu stellen. Das Problem bei privaten Parties ist ja immer, dass man in den seltensten Fällen jemandem vorgestellt wird. Meistens muss man sich selbst vorstellen, und das übersteigt oft die Kraft. Vergangenes Jahr hab' ich auf jeder Party grüne Strümpfe getragen. Das hab ich vom Profi gelernt, nämlich aus dem Film "Irma La Douce". Mithilfe meiner professionellen grünen Strümpfe konnte ich sagen: "Oh, hallo, ich würde Sie gerne kennen lernen. Ich bin übrigens eine illegitime Tochter von Irma la Douce und auf der Suche nach Sex und Liebe." Das war nicht ganz unerfolgreich, aber dieses Jahr hab ich beschlossen, mich mehr den Geschäften zu widmen. Wenn ich jetzt auf einer Party jemanden kennen lerne, sollte ich eigentlich sagen: "Ich bin Geschäftsführerin eines mittelständischen Unternehmens, der Zufallsproduktion, und könnte noch jede Menge Aufträge vertragen." Aber schon dieser kleine, zielgerichtete Satz übersteigt meine Kraft, und deshalb steh' ich oft nur fad rum auf Parties und wünsch mich heimlich in die nächste Bar. Zufall sei Dank unterhalte ich mit einem Freund eine Entente cordiale: Wer immer Lust verspürt, um Mitternacht in eine Bar zu gehen, darf den anderen anrufen.

In der Bar herrscht Barzahlung, und dafür bekommt man zum Tequila auch das Salz des Lebens: ein trautes Gespräch zweier Menschen. In dem auch die innersten Ängste neben Aschenbecher und Nussschälchen ihren Platz finden. "Du, H., das grassierende Rauchverbot macht mir Alpträume. Meinst du, es ist der Vorbote eines vollständigen Fellatio-Verbots?" "Beruhige dich, meine Liebe, im Gegenteil. Rauchverbot bedeutet Fellatio-Gebot. Gesaugt wird immer." H. selbst zieht die private Party dem Barbesuch vor. Zwar sind die Getränke schlechter, aber das Vertrauen anderer Leute, ihn in ihre Wohnung zu lassen, ringt ihm große Achtung ab. Es ist, als hätte man für einen Abend ein Zuhause gefunden. Natürlich sind die Anstrengungen der Leute, einem einen unvergesslichen Abend zu bereiten, herzig. Ich liebe Dilettanten. Aber was sind Wärme und Freundlichkeit gegen einen professionellen Besuch in der feinen Bar? Mobiltelefon gestohlen, Geld weg, kleine Schlägerei angezettelt, zechprellende Flucht im Morgengrauen, S. ruft nicht mehr an. . . That's what I call party. Ihre Cosima Reif, Zufallssexkolumnistin (DER STANDARD/rondo/04/06/2004)