Luxemburg - Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker hätte nach Worten des irischen EU-Ratspräsidenten Bertie Ahern den Posten des EU-Kommissionspräsidenten sicher, falls er nicht selbst eine Kandidatur ausschließen würde. Ahern sagte am Freitag nach Gesprächen mit Juncker in Luxemburg, die Kandidatensuche wäre eine leichte Aufgaben gewesen, falls Juncker zur Verfügung stehen würde.

"Dann hätte ich kein Problem gehabt, denn jeder wollte ihn", sagte Ahern, während er neben Juncker stand. Juncker hat jedoch eine Kandidatur ausgeschlossen, falls er erwartungsgemäß die Parlamentswahl in seinem Land am 13. Juni gewinnt. Am gleichen Tag wird auch das EU-Parlament neu gewählt.

Prodi-Nachfolge wird nach EU-Wahlen bestimmt

Der Nachfolger von Kommissionspräsident Romano Prodi soll vier Tage später beim Brüsseler EU-Gipfel bestimmt werden und sein Amt im November antreten. Ahern ist auf einer Rundreise zu allen EU-Regierungen, um den aussichtsreichsten Kandidaten zu finden und einen Kompromiss über die geplante EU-Verfassung vorzubereiten. Bislang stoßen aber alle genannten Kandidaten auf Widerspruch in dem einen oder anderen EU-Land.

"Ich denke, alle fast ohne Ausnahme wollten den Ministerpräsidenten (Juncker)", sagte Ahern. Diplomaten zufolge wäre Juncker wahrscheinlich nur bei Großbritannien auf Skepsis gestoßen, weil er als Verfechter eines föderalen Europas und Vertrauter Deutschlands und Frankreichs gilt. Als Mitglied der konservativ-christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP) hätte Juncker auch die Unterstützung der wohl auch nach der Wahl größten Fraktion im EU-Parlament gehabt.

Verschiebung der Entscheidung nicht ausgeschlossen

Nachdem Junckers Abwinken lange als taktisches Manöver interpretiert worden war, gilt es in EU-Kreisen inzwischen als nur noch schwer umzukehren. Juncker wolle vielmehr seinen Einfluss während der turnusmäßigen EU-Ratspräsidentschaft seines Landes in der ersten Hälfte kommenden Jahres nutzen. Dann steht auch die Debatte über eine Reform des EU-Stabilitätspaktes an. Nicht ausgeschlossen wird aber auch, dass die Entscheidung über den Kommissionspräsidenten verschoben wird. Dann hätte auch Juncker mehr Zeit, seine Haltung zu ändern, falls ihn die anderen EU-Regierungschefs drängen sollten.

Frankreich für Verhofstadt

Während die deutsche Bundesregierung sich öffentlich nicht auf einen Favoriten für die Prodi-Nachfolge festgelegt hat, unterstützt Frankreich den belgischen Regierungschef Guy Verhofstadt. "Ich glaube, er wäre ein sehr guter Präsident der Kommission", hatte Chirac am Mittwoch in Paris nach einem Treffen mit Ahern gesagt. Verhofstadt stößt jedoch bei der EVP und Diplomaten zufolge bei skandinavischen EU-Ländern, Großbritannien, Italien und einigen neuen Mitgliedern aus Osteuropa auf Widerstand.

Cox, Patten und Schüssel als weitere Kandidaten im Gespräch

Im Gespräch sind auch der liberale irische EU-Parlamentspräsident Pat Cox, der britische konservative EU-Außenkommissar Chris Patten und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V). Gegen Schüssel haben Diplomaten zufolge einige EU-Staaten wegen seiner Koalition mit der FPÖ Bedenken. Cox gilt in einigen Hauptstädten nicht als politisches Schwergewicht.

Solana immer häufiger genannt

Immer häufiger wird in jüngster Zeit der Name des außenpolitischen EU-Vertreters Javier Solana genannt. Interesse an der Prodi-Nachfolge hat auch der portugiesische EU-Innenkommissar Antonio Vitorino, der allerdings den Sozialisten und damit der Minderheit in der EU angehört. (APA/Reuters)