"Relativ starker Verdacht"
Es gebe den "relativ starken Verdacht", dass Martins Unterschrift bei einer Sitzung des Industrieausschusses am 9. Oktober 2001 gefälscht worden sei, sagte Bösch. Martin habe für diesen Tag Tagegeld bezogen "auf Grundlage einer Unterschrift, die er so wahrscheinlich nicht leisten konnte". Bösch wies darauf hin, dass dem EU-Parlament die von Martin für seine Reiseabrechnung eingereichte Boarding Karte für einen Flug am 9. Oktober vorliege, der erst um 16:10 in Brüssel angekommen sei.
16.10 Uhr Ankunft in Brüssel, 16.15 Uhr Sitzungsende
Dennoch habe Martin in einer Sitzung, die um 16.15 Uhr zu Ende ging mit seiner Unterschrift seine Anwesenheit bezeugt. Martin selber wies die Vorwürfe kategorisch zurück. Er habe niemals eine Unterschrift gefälscht oder jemanden zu einer Fälschung angestiftet, sagte er. Der Vorwurf sei "empörend" und "folgt dem gleichen Muster, das die Sozialdemokraten immer anwenden", nämlich "etwas über das Ausland zu spielen". Nach der Wahl werde sich der Vorwurf rasch aufklären lassen.
Das EU-Parlament hat außerdem heute ein eigenes graphologisches Gutachten in Auftrag gegeben, dessen vorläufiges Ergebnis bis Donnerstag vorliegen soll. Am gestrigen Mittwoch hatte die sozialdemokratische Fraktion im EU-Parlament eine Gutachterin engagiert, die nach Ansicht mehrerer Unterschriftsproben von einem "starken Verdacht" der Unterschriftenfälschung sprach. Sie legte aber kein ausgearbeitetes Gutachten vor. Auch lag ihr nicht das Original der strittigen Unterschrift vor. Der Gutachter des EU-Parlaments soll nun auf Grundlage der Originale seine Expertise abgeben.
OLAF ermittelt
Die Überprüfung von Unterschriften durch einen Graphologen ist nicht ohne Präzedenzfall. Im März hatte das EU-Parlament die Unterschriften einiger Beobachter überprüfen lassen, denen eine Fälschung vorgeworfen worden war. Damals erwiesen sich alle beanstandeten Unterschriften als echt. Auch damals habe er in seiner Funktion als Betrugsberichterstatter die Vorwürfe an OLAF weiter geleitet, sagte Bösch am Mittwoch.
Das EU-Parlament hat nach Angaben Harleys auch noch keine Reaktion Martins auf den Ende Mai bekannt gewordenen Vorwurf, er habe eine Mitarbeiterin mit EU-Geld bezahlt aber an einem privaten Buch arbeiten lassen. Auch diesen Vorwurf wies Martin in Medien zurück. Harley sagte am Mittwoch, Martin sei am 27. Mai und am 2. Juni brieflich und per Email zu einer Stellungnahme aufgefordert worden, habe aber noch nicht reagiert.
Probleme mit dem Email
Martin selber sagte dazu, er habe diese Schreiben nie erhalten. Mit dem Email habe er "öfter schon Probleme gehabt". Erst heute Mittag habe er erstmals einen Anruf aus Luxemburg erhalten, den er rasch beantworten wolle.
Kronberger: "Beweislast erdrückend"