Wien - Hans-Peter Martin wehrt sich gegen SPÖ-Vorwürfe, wonach seine Unterschrift in einer Anwesenheitsliste des EU-Parlaments im Jahr 2001 gefälscht gewesen sein soll. Er habe sich Kopien der Listen zukommen lassen und erkenne seine Unterschriften eindeutig wieder. Nun werde die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, sagte Martin am Freitag bei einer Pressekonferenz zum Abschluss seines Wahlkampfes. Die Anschuldigungen der SPÖ seien "ungeheuerlich".

Der SP-Abg. Herbert Bösch hatte zuletzt die EU-Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF eingeschaltet. Martin sei bei einer Sitzung des Industrieausschusses am 9. Oktober 2001 eingetragen gewesen, bei der er gar nicht anwesend gewesen sei. Martins Flug sei erst zum Sitzungsende in Brüssel gelandet, hatte Bösch bemeint.

"Ganz ordnungsgemäß

Martin bestreitet das entschieden. Er habe sich am 9. Oktober "ganz ordnungsgemäß eingetragen". Wie viele andere Menschen schreibe er aber manchmal seinen Vornamen aus und manchmal verwende er eine Kurzform, was die angebliche Überschneidung mit dem Flug betrifft, äußerte er "Zweifel", ob die angegebenen Sitzungszeiten überhaupt stimmten. Überhaupt gebe es "Schlampereien" beim EU-Parlament, was das Erfassen der Anwesenheit betreffe. Er sei sich jedenfalls sicher, im Ausschuss anwesend gewesen zu sein.

Martin vermutet ein "abgekartetes Spiel" der SPÖ. Bösch warf er den "Missbrauch" von OLAF "für parteipolitische Zwecke" vor. Als Betrugsbekämpfer sei dieser nun "untragbar". Es habe ihn "ins Herz getroffen", dass Bösch zu solchen Mitteln greife, da er 1999 nicht zuletzt durch seine Unterstützung "etwas werden konnte", sagte Martin.

Sein Anwalt Dieter Heine werde nun die Staatsanwaltschaft einschalten. Heine berief sich auf den Par. 264 des Strafgesetzbuches. Man mache sich strafbar, wenn man durch Täuschung eine Aktion setze, die eine Wahl beeinflussen könne und der Betroffene nicht mehr genug Zeit hat, sich zu wehren.

Chancen geschmälert?

Fragen, ob er nun seine Chancen, ins Parlament einzuziehen, geschmälert sieht, wollte Martin nicht direkt beantworten. Er habe immer gesagt, es wäre eine "politische Sensation", wenn der Einzug gelinge. Um den Anschuldigungen entgegenzutreten hat er jedenfalls eine Reihe von Inseraten in Tageszeitungen geschaltet. Diese würden mehr als 100.000 Euro kosten, sagte Martin, bezahlt würden sie über sein "privates Sparbuch".

Neuer Vorwurf der EU-Sozialdemokraten gegen Martin

Die sozialdemokratische Fraktion im EU-Parlament (SPE) wirft dem österreichischen Europa-Abgeordneten Hans-Peter Martin vor, er habe eine Anreise ins EU-Parlament sowohl von einer dänischen Firma bezahlt bekommen als auch dem EU-Parlament als Reisespesen verrechnet. Martin weist den Vorwurf zurück: "Ich habe niemals Kosten doppelt geltend gemacht", sagte Martin auf Anfrage der APA.

Grundsätzlich "kann es keine Doppelbezahlung geben", sagte Martin, denn die Abgeltung des Parlaments sei eine Pauschale, die nicht an die genauen Kosten gebunden sei, während die Abgeltung der Flugkosten durch die Privatfirma Teil seines zu versteuernden Honorars sei. Im Übrigen sei der Vorwurf an ihn, Reisekosten doppelt verrechnet zu haben, schon deshalb "absurd", weil er auf 200.000 Euro an Reisekosten verzichtet habe, die ihm laut Parlamentsregeln zustünden. Er habe "als einziger Abgeordneter" genaue Kosten verrechnet und auf die überhöhte Pauschale verzichtet, sagte Martin.

SPE-Fraktionsvorsitzender Enrique Baron Crespo fragt nun in einer Presseaussendung Hans-Peter Martin, wie dieser sich erkläre, dass sein Flug am 9. Oktober 2001 sowohl vom Konferenzveranstalter Novo Nordisk bezahlt worden als auch beim EU-Parlament zur Erstattung der Reisekosten eingereicht worden sei. Baron Crespo fragt Martin auch, wie er am 9. Oktober 2001 an einer Sitzung des Industrieausschusses, die laut Protokoll um 16.15 Uhr endete, teilgenommen haben will, während er laut abgerechnetem Flug erst um 16.10 Uhr in Brüssel angekommen sei. Dazu hat Martin heute, Freitag, bereits in einer Pressekonferenz gesagt, er bezweifle die Zeitangaben im Protokoll. Es gebe "Schlampereien" bei der Erfassung der Anwesenheiten im EU-Parlament.

Graphologin bekräftigt Verdacht

Unterdessen hat die von der SPE engagierte Graphologin Marie-Therese Christians in einem schriftlichen Gutachten den Verdacht der Unterschriftenfälschung gegen Martin bekräftigt. Am Ende einer neunseitigen Begründung schreibt Christians: "Auch wenn ich nur Fotokopien zu untersuchen hatte, kann ich angesichts der zahlreichen Unterschiede schließen, dass die in Frage stehende Unterschrift eine Fälschung ist", schreibt Christians nach Angaben eines SPE-Sprechers. Die nach Angaben der SPE "zufällig ausgewählte" Graphologin habe neben der Fotokopie der strittigen Unterschrift im Industrieausschuss am 9. Oktober 2001 fünf weitere fotokopierte Unterschriften Martins zum Vergleich gehabt, präzisierte ein Sprecher der SPE am Nachmittag. (APA)