Klestil: "Die Hemmschwelle für rassistische oder antisemitische Äußerungen und Formulierungen darf keinesfalls noch weiter sinken."

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Wien - Bundespräsident Thomas Klestil hat zu Beginn des fünften Theodor Herzl-Symposions im Wiener Rathaus eine kritische Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus in der Sprache eingemahnt. "Die Hemmschwelle für rassistische oder antisemitische Äußerungen und Formulierungen darf keinesfalls noch weiter sinken, nicht in Österreich, nicht in Europa, nirgendwo", erklärte Klestil am Montag. Das diesjährige Herzl-Symposion steht im Zeichen des 100. Todestages des Visionärs eines Judenstaates.

Tarnung

Tagtäglich würden wir Zeugen dafür, "dass Ausdrücke aus dem Wörterbuch des Unmenschen keineswegs verschwunden" seien, sagte der Bundespräsident. "Schleichend werden Worte im Umlauf gebracht, die aus dem Geist des Ressentiments stammen und auch prompt Ressentiments erzeugen." Der Antisemitismus tarne sich heute oft als Antizionismus, warnte Klestil. Die Achtung des Anderen - Nachbarn, Minderheiten, Kranke, Behinderte -, aber auch die Achtung des Andersseins in der politischen Arena sei Prüfstein jeder funktionierenden Demokratie.

Keine Rede von Frieden

"Der 100. Todestag Theodors Herzls fällt in eine Zeit, in der von einem wirklichen Frieden unter den Menschen und Völkern leider keine Rede sein kann", führte der Bundespräsident aus. Das Erbe Herzls beschränke sich nicht nur auf ein staatliches Territorium, sondern umschließe auch den Auftrag, überall die Feinde von heute miteinander zu versöhnen und die soziale Gerechtigkeit weltweit zu stärken. Als bedeutenden Faktor für die Lösung des Nahost-Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern bezeichnete Klestil das Gespräch. "Der Dialog, der gerade im Judentum eine so wichtige Rolle spielt", sei dafür eine hervorragende Voraussetzung.

Würdigung für Herzl

Theodor Herzl, den Begründer des Zionismus, würdigte Klestil: Er sei kein weltfremder Idealist gewesen, sondern habe konkret an der Verwirklichung seiner Idee gearbeitet. Österreich könne stolz darauf sein, dass die Idee eines jüdischen Staates in Wien geboren wurde. "Zu diesem Stolz freilich mengt sich die bittere Gewissheit, dass Österreicher maßgeblich Anteil am schlimmsten Verbrechen hatten, das je am jüdischen Volk begangen wurde: dem Holocaust." (APA)