Laut neuesten Berechnungen der unabhängigen Internationalen Energieagentur (IEA) in Paris sind bis 2030 nicht weniger als 26.000 Mrd. Dollar (21.700 Mrd. Euro) an Investitionen in den Energiesektor notwendig, um die Welt am Laufen zu halten.

2100 Milliarden für Europa

Die 30 OECD-Länder Europas müssten in diesem Zeitraum rund 2100 Mrd. Dollar investieren, um den steigenden Energiebedarf zu befriedigen und alte Anlagen zu ersetzen, sagte Fatih Birol, Chefökonom der IEA. Wie diese Investitionen finanziert werden sollten, wurde nicht gesagt.

Der Verbrauch an Strom werde vor allem in Ländern wie China und Indien stark steigen, folgerichtig würden in diesen Ländern und im südostasiatischen Raum auch die größten Investitionen anfallen. China und Indien verzeichneten im Vorjahr Zuwächse von mehr als zehn Prozent.

Lage wird schon in nächsten Jahren kritisch

In Europa werde die Lage aufgrund der anstehenden Stilllegung von "altersschwachen" Kraftwerken bereits in den nächsten Jahren kritisch. Stromnachfrage und –verbrauch würden sich spätestens 2007 in Europa die Waage halten. Anschließend sei ein Engpass vorprogrammiert, sollten keine neuen Kraftwerke ans Netz gehen.

Bis 2030 jedenfalls geht die IEA allein für die EU-15 von einem zusätzlichen Kraftwerksbedarf von 600.0000 Megawatt aus, was knapp 900 Kohlekraftwerken entspricht. Das ist ungefähr so viel wie die derzeit installierte Leistung.

Atomkraft-Renaissance

Etwa 300.000 MW seien als Ersatz für bestehende Kraftwerke notwendig, weitere 300.000 MW zur Abdeckung des Stromverbrauchzuwachses, der mit durchschnittlich 1,4 Prozent pro Jahr angenommen wird. Auch die Atomkraft wird nach Ansicht von Experten eine Renaissance feiern.

"Die Bevölkerung wird in 20 Jahren zurück zur Atomkraft finden, da bin ich mir sicher", sagte Yvan Jansen, Energieexperte der Boston Consulting Group. "Außer es passiert ein zweites Tschernobyl", schränkte Jansen ein. Jedenfalls sei klar, dass Energiequellen wie Fotovoltaik, Windkraft oder Biomasse nur einen Bruchteil des Strombedarfs in den entwickelten Volkswirtschaften decken könnten. Aber auch die Wasserkraft sei nicht außer Streit.

Mangelnde Akzeptanz

Nicht nur in Österreich gebe es Widerstände gegen den Bau neuer Werke. "Die mangelnde Akzeptanz ist ein gesamteuropäisches Problem", sagte Verbund–Chef Hans Haider, derzeit Präsident der europäischen Interessenvertretung Eurelectric.

Getrieben von der Unsicherheit über die künftige Entwicklung am Strommarkt werde die Konzentration unter den Stromproduzenten weiter gehen, prognostiziert Jansen, dessen Mutterfirma Boston Consulting eine Vielzahl an Energieversorgern berät.

In zehn Jahren werden seiner Einschätzung nach statt knapp zwei Dutzend nur mehr drei bis sieben Stromproduzenten mit gesamteuropäischer Bedeutung übrig sein. (DER STANDARD Printausgabe 15.06.2004)