Wien - Götterbote Hermes und Pallas Athene haben sich gut unterhalten. Konnten sie doch an der Decke des Großen Freskensaals im baufälligen Schloss Petronell gleichsam vogelperspektivisch-fußfrei beobachten, wie am Donnerstag unter ihnen ein Fest für Athen , der Heimat des Theaters, vonstatten ging.

Piero Bordin, Gründer und Leiter von Art Carnuntum, hatte dieses zur Eröffnung seines Festivals für antikes Theater inszeniert, nicht ohne sich selbst in Szene zu setzen. Dass er die neue Athener Bürgermeisterin (und eine ganze Reihe anderer wichtiger Menschen) getroffen habe, dass der Marathon-Olympiasieger von 1988 ein entfernter Verwandter von ihm sei, dies und einiges mehr erfuhr man im Zuge seiner launig-liebevollen Ausführungen, mit denen er durch den Abend führte, das Musikprogramm kommentierte, Melina Mercouri und Georgos Seferis rezitierte.

Wobei Bordin, mit Aristophanes kokettierend, jedwedes direkte Selbstlob vermied. Er ließ selbstloben: Die ehemalige ORF-Fernsehpädagogin Lisa Schüller besorgte die vor allem in ihrem Zitatreichtum bemerkenswerte Laudatio auf Festival und Impresario, von dpa, FAZ über DER STANDARD bis zur Krone fehlte kaum ein Medium, das nicht zurate gezogen wurde.

Im musikalischen Teil, dem es dennoch gelang, die Hauptrolle zu behalten, sangen Olga Kessaris und Niki Chaziraki mit ausdrucksstarken, klaren Stimmen schöne, traurige, griechische Lieder, sekundiert von nicht minder sehnsuchtsvollen Violoncellokantilenen sowie Gitarre-/Bouzouki- und Klavierklängen: Wirkungsvoll hatte Komponistin und Pianistin Jula Jannaki ihr Ensemble besetzt, um eigenen Wort-Ton-Poemen wie auch solchen von Hadjidakis, Theodorakis und Tsitsánis ein dankbares instrumentales Vehikel bereitzustellen.

Über Seebären und Sehnsüchte, Liebe und deren (Um-) Wege, auch über das Leben entwurzelter Griechen in Wien wurde gesungen - durchaus mit Hingabe, sodass es Pallas Athene nicht allzu sehr gestört haben dürfte, dass es dabei nur am Rande um ihre Stadt ging. Das zu einem Gutteil griechischsprachige Publikum jedenfalls, zahlreich erschienen ob der hellseherisch vermiedenen Terminkollision mit der Fußball-EM, nahm den Abend dankbar auf. (DER STANDARD, Printausgabe, 26./27.6.2004)