Wenn es - neben Michael Moore - einen Namen gibt, der als überlebensgroßes Symbol für die journalistische Opposition gegen George W. Bush und seine Regierung steht, dann ist es der des Princeton-Ökonomen Paul Krugman. 1999 wurde er von Arthur Sulzberger, dem Herausgeber der New York Times , als Kolumnist für die Meinungsseite des Weltblattes angeworben. Während Krugman in seinen Anfangszeiten inhaltlich von einem Wirtschaftsthema zum anderen wanderte und keinerlei besondere Arbeitsschwerpunkte erkennen ließ, fand er mit dem Amtsantritt von George W. Bush zu seiner definitiven Kolumnistenrolle: Der eines Präsidentenkritikers, dem es weder an Hartnäckigkeit noch Scharfzüngigkeit mangelt. Zweimal pro Woche wettert Krugman seither mit einer Heftigkeit gegen Bush und seinen Anhang, die ihn für Bush-Hasser zu einem Helden und für Bush-Freunde zu einem roten Tuch gemacht hat.

Krugmans Kolumne ist ein Paradebeispiel für Glanz und Elend jener gesellschaftlich weit verbreiteten Übung, die unter dem Namen Bush-Bashing bekannt geworden ist. Obwohl Krugman angesichts der nachtragenden Haltung der Bushies gewiss auch ein moderates persönliches Risiko eingegangen ist und immer auf sachlich untadeligem Niveau argumentiert - noblesse oblige, er schreibt für eines der renommiertesten Blätter der Welt - , so bewegt sich seine Kolumne doch auch, auf lange Sicht betrachtet, in einer überraschungsfreien Schleifenbewegung dahin, die etwas ausgesprochen Ermüdendes hat: Bush ist ein Lügner ist ein Stümper ist ein Bush ist ein Lügner und so weiter und so fort.
Möglicherweise steht Krugmans Kolumne paradigmatisch für die Bedürfnisse eines Leserpublikums, dem immer mehr danach ist, sich seine eigenen Urteile und Vorurteile bestätigen zu lassen, als die Argumente der Gegenseite wahrzunehmen und sich sachlich mit ihnen auseinander zu setzen. Diese Art eines vernünftigen, "zivilisierten" Mediendialoges wurde in der Entstehungszeit der Nation von den "Federalists" und den "Antifederalists" beispielhaft vorgeführt. In ausladenden Artikelserien, die so gar nicht mehr zu den Apperzeptionsmechanismen des an klein gehäckselte Information gewohnten zeitgenössischen Medienkonsumenten passen, legten beide Parteien die Argumente dar, die ihrer Ansicht nach für (Federalists) oder gegen (Antifederalists) einen Zusammenschluss der amerikanischen Kolonien zu einem einzigen Bundesstaat sprachen. Es ist in der Tat erstaunlich, wie häufig die Verfasser betonen, dass man die redlichen Absichten der Gegenseite selbstverständlich nicht in Abrede stelle, aber eben aus diesem oder jenem Grund in dieser oder jener Angelegenheit anderer Ansicht sei.

Derartiges Zartgefühl scheint heute nicht mehr im Zentrum der öffentlichen Auseinandersetzung in den USA zu stehen. Vielmehr sind wir Zeugen eines Strukturwandels der amerikanischen Öffentlichkeit, der bereits in der Ära Bill Clinton zu einer rekordverdächtigen Polarisierung geführt hatte. Sie entspricht einer über die engere Sphäre der öffentlichen Meinungsbildung hinausgehenden Spaltungstendenz, bei der ein tendenziell in den Küstenstaaten beheimateter liberaler Bevölkerungsteil einem tendenziell eher im Landesinneren beheimateten konservativen Bevölkerungsteil zunehmend verständnislos gegenübersteht. Dass diese Spaltung der Debattenkultur dem Lande gut getan hätte, wird man schwerlich behaupten können.

Auch kann man der Regierung Bush den Vorwurf nicht ersparen, dass sie zur Polarisierung der amerikanischen Medienlandschaft nach Kräften beigetragen hat. Die Gleichsetzung von medialem Wohlverhalten und Patriotismus, die sie nach dem 11. 9. 2001 oft praktizierte, hat viele ihrer auch moderaten Kritiker zunächst zum Verstummen gebracht. Dafür melden sie sich jetzt umso heftiger - "with a vengeance", wie der treffende englische Ausdruck lautet - zu Wort.

Deeskalationstendenzen lassen sich in diesem Setting nur wenige ausmachen. Im Gegenteil: Auch der Buchmarkt wird inzwischen von zwei breiten Strömen einer angriffigen Tendenzliteratur durchzogen (Ann Coulter, Al Franken, Molly Ivins usw.), der es in erster Linie darum geht, die Gegner respektive die Anhänger des Präsidenten als Lügner, Vaterlandlandsverräter, Terroristenfreunde, haltlose Liberale oder Ähnliches, gar noch Schlimmeres, zu entlarven. Das Motto der US-Medienlandschaft 2004 lautet: Pardon wird nicht gegeben. (ALBUM/ DER STANDARD, Printausgabe, 26./27.6.2004)