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Bundespraesident Thomas Klestil am 13.10.1996 in seinem Arbeitszimmer im AKH in Wien.

foto: apa/gindl
Wien - Beim erstmaligen Auftreten der Erkrankung von Bundespräsident Thomas Klestil im September 1996 übernahm - auf Wunsch von Klestil - Bundeskanzler Franz Vranitzky die Amtsgeschäfte.

Die Vorgangsweise entsprach auch damals der Regelung über die Vertretung des Bundespräsidenten, wenn er seine Amtsgeschäfte nicht mehr ausüben kann. Artikel 64 der Bundesverfassung schreibt vor: "Wenn der Bundespräsident verhindert ist, gehen alle seine Funktionen zunächst auf den Bundeskanzler über."

"Verhindert" ist, erläuterte Verfassungsrechtler Heinz Mayer damals im STANDARD-Gespräch, ein Bundespräsident dann, wenn er seine Funktionen nicht ausüben kann, etwa wenn er ernstlich erkrankt ist. Ob dieser Fall eingetreten ist, habe allerdings einzig und allein der Kanzler zu beurteilen.

Wenn die Verhinderung des Bundespräsidenten länger als 20 Tage dauert, kommen die drei Nationalratspräsidenten - als Kollegialorgan - zum Zug. Das fand Mayer "rechtspolitisch bedenklich", denn diese könnten wegen Amtsmißbrauchs nicht zur Verantwortung gezogen werden. Der Bundeskanzler sei hingegen sowohl dem Verfassungsgerichtshof als auch dem Nationalrat Rechenschaft schuldig.

Umstrittene Regelung

Was ist nun, wenn ein Bundespräsident nicht mehr Bundespräsident sein kann oder will? Das sei in der Fachwelt sehr umstritten, erklärt Mayer. Er halte einen Verzicht jedenfalls für ungültig, denn er sei in der Verfassung nicht vorgesehen. Das sei, so Mayer, "in der Konsequenz blöd", denn: "Was macht man mit einem todkranken Bundespräsidenten?"

Sollte ein Staatsoberhaupt abdanken wollen, dann hätten wir "eine veritable Verfassungskrise", sagt Mayer, denn die Experten streiten darüber, wie dieser Verzicht formuliert sein müßte und wem gegenüber er abzugeben sei. Das bedeutet, daß ein Bundespräsident auf jeden Fall die volle Amtsperiode von sechs Jahren Staatsoberhaupt bleibt, auch wenn die Nationalratspräsidenten längst die Geschäfte führen.

Von der Verhinderung ist die dauernde Erledigung zu unterscheiden (etwa wenn der Präsident stirbt), wo die Funktionen sofort auf die Nationalratspräsidenten übergehen. Die Regierung hat sofort eine Wahl anzuordnen.

Gehrer für kurze Zeit Bundespräsidentin

Für ein paar Stunden übernahme 1996 Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer als erste Frau die Vertretung des Staatsoberhauptes. Für sie selber war das damals kein Meilenstein: "Erstens ist das nur kurzfristig, zweitens rein formal." Während Bundeskanzler Vranitzky, der die Geschäfte laut Verfassung übernommen hatte, in Belgien und der Vizekanzler in den USA weilten, füllte Gehrer die Funktionen von Kanzler und Bundespräsident aus. Und nach eigenem Bekunden tat sie vor allem eines: Arbeiten.

So unspektakulär die Beauftragung der Unterrichtsministerin war, so bitter gestaltete sich die Nachlese der Übergabe (beziehungsweise Übernahme) der Amtsgeschäfte durch Bundeskanzler Franz Vranitzky. Dieser erklärte anläßlich des Ministerrates, erst in der Nacht von Sonntag auf Montag über die Schwere der Erkrankung von Thomas Klestil informiert worden zu sein - da lag der Bundespräsident längst unansprechbar im Tiefschlaf. Daß dies eine potentielle Bedrohung der Handlungsfähigkeit der verfassungsmäßigen Organe bedeuten kann, war offenbar den behandelnden Ärzten nicht bewußt.

"Sehr unangenehm"

Gehrer nannte es "sehr unangenehm, daß die Regierung erst am Montag verständigt wurde, daß der Herr Bundespräsident nicht einsatzfähig ist", künftig werde man in solchen Fällen "besondere Sorgfalt walten lassen müssen". In dieselbe Kerbe schlug VP-Klubchef Andreas Khol: "Offensichtlich sind sich die Ärzte der Tragweite der Situation nicht bewußt gewesen", wenn sie während des künstlichen Tiefschlafs des Präsidenten über das Wochenende die Präsidentschaftskanzlei nicht informiert haben - darin liege zumindest ein "Versäumnis".

Allerdings habe dies auf die reale Politik in diesem Fall "keinerlei Auswirkung" gehabt. "Österreich ist ein stabiles Land", meinte Khol auf eine Frage des slowenischen Fernsehens. Professor Josef Smolen vom AKH erklärte, das Ärzteteam hätte "keinen Handlungsbedarf" gesehen. Es wäre am Wochenende kein Problem gewesen, Klestil jederzeit aus dem künstlichen Tiefschlaf zu wecken.

Khol stimmte Bundeskanzler Vranitzky darin zu, daß der Entscheidungsmechanismus über die Vertretung ausreichend geregelt ist. Familienminister Martin Bartenstein gab nach der Regierungssitzung zu bedenken, daß der zu Vertretende, solange er bei klarem Bewußtsein ist, die Amtsgeschäfte selber delegieren könnte. Bundeskanzler Vranitzky sagte, daß er das in jedem Fall so ausüben werde, wie es im Umgang mit einem kranken Menschen geziemend ist. Er erklärte, er wolle die Dauer der Vertretung "flexibel" halten. Sobald der Bundespräsident wieder in der Lage sei, die Amtsgeschäfte selbst zu führen, werde er diese abgeben, gleichgültig ob dies in ein oder zwei Tagen, in einer Woche oder etwas später der Fall sein werde.

Nachdem sich der Gesundheitszustand von Klestil verbesserte, übernahm er die Amtsgeschäfte wieder von Vranitzky und amtierte vom Krankenbett aus. Erst Ende Jänner 1997 konnte er wieder in die Hofburg zurückkehren.

(red)