Immer mehr Gemeindeverwaltungen und öffentliche Institutionen in ganz Europa kehren dem Windows-Monopol den Rücken und wechseln zu lizenzfreien Betriebssystemen wie etwa Linux. Bekanntestes Beispiel der jüngeren Vergangenheit ist die bayrische Metropole, die im vergangenen Jahr den Umstieg auf ein Open-Source-System beschloss. Nicht die Kosten waren dafür laut dem Münchner Oberbürgermeister Christian Ude ausschlaggebend, sondern der Wunsch nach größerer Hersteller-Unabhängigkeit.

"Die Entscheidung liegt bei der Politik"

"Die Entscheidung liegt bei der Politik", betont Eberhard Binder, Leiter der Informations- und Kommunikationstechnologie der Stadt Wien (MA 14) gegenüber dem STANDARD. "Sollte sich diese für Linux aussprechen, würde es aber sicher keine Generalablöse bedeuten wie in München, da bei uns kein dringender Handlungsbedarf herrscht." Anders als in München, das seine IT noch unter dem veralteten Windows NT betreibt, laufen die Wiener Desktops derzeit unter Windows 2000, als Bürosoftware ist Office 2000 im Einsatz. Keines der eingesetzten Desktop- Geräte sei älter als fünf Jahre.

"Exzellente" Erfahrungen" mit Open Source

Mit Open-Source-Produkten habe die IT-Abteilung der Gemeinde Wien auf der Serverseite schon mehr als zehn Jahre "exzellente" Erfahrungen, so Erwin Gillich, Leiter des Dezernats Entwicklung, E-Government, Telematik und SAP. Über Open Source am Server habe es in der MA 14 nie große Diskussionen gegeben. Vordergründig fielen keine Lizenzkosten an, sei Herstellerunabhängigkeit gegeben und auch der höhere Sicherheitsaspekt spreche dafür: "Man arbeitet doch lieber mit einer Software, deren Quellcode sich schon zig Leute angeschaut haben, als mit einer, wo man nicht weiß, was drin ist."

"Recht auf Option"

Man habe zwar prinzipiell keine schlechte Beziehung zu Microsoft, betont Binder diplomatisch, lässt dabei aber durchblicken, dass man als öffentliche Verwaltung eine glaubhafte Option auf eine Herstellerunabhängigkeit Anspruch habe, falls der Monopolist mal wieder neue Regeln aufstelle. Mit dieser Aussage spielt der IT-Chef der Stadt Wien vor allem auf die Änderung der Microsoft Lizenzpolitik im August 2002 an, die von (Groß)kunden feste Abo-Gebühren für die automatisch laufende Ausstattung mit neuen Versionen verlangte. In diesem Zusammenhang stellt Binder allerdings klar, dass die in Wien eingesetzte Software von Microsoft sich im Besitz der Gemeinde befinde und diese das uneingeschränkte Nutzungsrecht habe.

Mühsam

Dass die Abhängigkeit von Softwareherstellern manchmal sehr mühsam sein kann, weiß Binder aus dem Bereich des Elektronischen Aktes (kurz Elak), der die öffentliche Verwaltung vernetzen soll. Die dazu von den Subunternehmen Fabasoft und SAP entwickelten Softwaremodule basierten derzeit nur auf Microsoft und deren Internet Explorer. Die in der Ausschreibung verlangte Browserunabhängigkeit sei bis dato noch nicht realisiert. (Karin Tzschentke/DER STANDARD, Printausgabe, 6.7.2004)