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Der Prinz ist müde, er gibt sein Reich auf. "Ich komme nur noch selten nach Porto Cervo", erklärte Karim Aga Khan in einem Interview. Der Multimillionär ist das religiöse Oberhaupt von 15 Millionen ismailitischen Moslems, die vor allen in Pakistan, Indien und Ostafrika leben. 1962 hatte der an westlichen Schulen ausgebildete Prinz beim Segeln die Costa Smeralda entdeckt, Sardiniens Smaragdküste, die damals als steinige Schönheit mit eingeschmiegten Strandbuchten nur sich selbst gehörte. Aga Khan kaufte zu Spottpreisen Land von den Bauern und entwickelte einen "Master Plan", der die Costa Smeralda in ein Ferienparadies verwandelte. Damit der 55 Kilometer lange Küstenstrich von baulichen Scheußlichkeiten bewahrt blieb, berief er ein "consorzio" ein, eine Planungsgruppe von Architekten und Bauunternehmern mit Geschmack.

Behutsam wurde die Costa Smeralda mit Hotels, exklusiven Ferienvillen und Yachthäfen bebaut. Porto Cervo, ein Fischernest, wurde zum urbanen Zentrum des Küstenstrichs. Der Aga Khan wollte um jeden Preis verhindern, dass Beamtenwillkür und Schlendrian zu Zersiedelung und Massentourismus führten. In den letzten Jahren allerdings erlebte er einen Machtkampf mit Naturschützern und der Regierung der Inselregion, bis er die Konsequenzen - und sich entnervt zurück zog. Der Aga Khan hat üppig verdient an der Costa, aber auch einen Tourismus gefördert, der schon sanft war, bevor man von sanftem Tourismus sprach. Der Küstenstrich diente ihm als Installation für den Jetset, als Kulisse für Luxus.

Jetzt ist die elitäre Zeit abgelaufen, die Costa Smeralda wird egalitär. Dennoch bleibt sie in der Schatztruhe Sardinien - mit dem Meer als glänzendem Smaragd und der Landschaft als ungeschliffenem Diamanten - das teuerste Juwel der Insel. Es war im Kalten Krieg der 70er Jahre, als die Weltöffentlichkeit zum ersten Mal durch Aufsehen erregende Bilder aus dem Refugium der Reichen und Schönen auf die Costa Smeralda aufmerksam wurde. Da verschwanden ein britisches und ein sowjetisches U-Boot von den Radarschirmen der Geheimdienste. Die suchten in mehreren Meeren, bis sie die Objekte vor Sardiniens wildgezackter Nordostküste im Mittelmeer orteten. Die Kamera verfolgte einen Sportwagen, der eine Küstenstraße entlang raste, vorbei an Felsen, wie sie Henry Moore übereinander geschichtet haben könnte. Sie streifte Klippen, Halbinseln, Buchten und das smaragdgrüne Meer mit seinen Eilanden. Dann gerieten Swimmingpools ins Bild, Liegestühle mit schönen gebräunten Leibern, uniform gedresste und servile Kellner, weiträumige Hotelanlagen, schicke Yachten. Die Kamerafahrt endete in einem Gebäudekomplex, der traditioneller Architektur des mediterranen Raums nachempfunden war. Aus dem schnellen Flitzer jumpte Mr. Sterling alias Roger Moore, der 1976 als James Bond im Luxushotel Cala di Volpe Quartier nahm. "Der Spion, der mich liebte" war ein Welterfolg.

007 weilt nicht mehr an der Costa Smeralda, aber Mick Jagger kommt ebenso gern ins Cala di Volpe wie Amanda Lear, Joe Cocker oder die Modemacherin Nina Ricci. Einst mietete König Hussein von Jordanien gleich einen ganzen Gebäudeflügel mit Suiten. Andere Gäste bestanden auf einer 60 Meter langen Yacht. Und General Manager Maurizio Paterlini schnappte sich manchmal nachts in der Bar das Mikrofon, um mit Reibeisenstimme Melancholisches von Adriano Celentano vorzuschnulzen. Doch seit Paterlinis Haus durch eine Hotel-Kette übernommen wurde, nötigen ihn seine Chefs in Übersee zum genauen Kostenmanagement. Für feucht-fröhliche Stunden bleibt da keine Zeit. Zwar blieben die Retortensiedlungen der Ferienanlagen und die prachtvollen Villen auf den Hügeln der mäandernden Küstenlinie erhalten, die Italiens Großunternehmern Agnelli und Berlusconi gehören, der Olivetti-Sippe, dem Clan der Mineralwasserfabrik San Pellegrino und immer mehr "neuen Russen". Doch rings um das exklusive Ambiente hat sich vieles geändert.

Die Sarden, bisher Fremde an ihrer eigenen Küste, nehmen den Tourismus in ihre Hände. Mittelfristig wollen sie mehr Urlauber hier haben, die Küste kann nicht mehr nur von den Reichen leben, die Infrastruktur wird preisgünstiger. Noch kostet der Espresso auf der Piazza von Porto Cervo knapp 10.000 Lire (rund 70 Schilling), noch sind Boutiquen mit Hochpreisigem bestückt. Doch schon gibt es Restaurants, die frischen Fisch zu vernünftigen Preisen auftischen, Hotels im Drei-Sterne-Segment, Campingplätze, Jugendherbergen. Schon wird es als ordinär empfunden, wenn im Cala di Volpe ein britisches Elternpaar die Hochzeit der Tochter mit 800 Gästen und Scharen wuselnder Kellner ausrichten lässt und aus dem Himmel vom gecharterten weißen Hubschrauber 20.000 Rosen regnen.

Geld ist nicht mehr alles, Protzen ist out. Stattdessen wird vom Umweltbewusstsein gesprochen, werden bauliche Auflagen streng kontrolliert. Der Mensch soll sich respektvoll durch die Natur bewegen und sie nicht planieren, wie und wo es ihm gefällt. Nicht mehr der Corso zum Sehen und Gesehen werden gilt als Attraktion, sondern das Meer mit seinen tausend Farben, das Schwimmen, Surfen, Tauchen, Boot fahren, die gesunde Luft und die Kultur der Einheimischen, die - schwarzhaarige, kleinwüchsige Hirten - bisher im Ruf standen, serielle Entführer und Lösegelderpresser zu sein. Das insulare Selbstbewusstsein hat sich rasant verändert, die Sarden wollen nicht durch angeblich erblich bedingten "banditismo" berüchtigt sein. Und der Tourismusmanager schwärmt vom ausgebauten internationalen Flughafen und der Folklore seiner Landsleute. "Wir sind nicht nur ein Volk von Zimmermädchen und Kellnern. Eines der schönsten europäischen Plätzchen durfte nicht mehr nur dem Luxustourismus gehören, zumal viele Reiche zur Wirtschaftskrise wegbleiben." Sicher, Billigurlauben wie in Mallorca geht an der Costa Smeralda nicht. Aber die Zeit der Gettoisierung und Selektion ist vorüber. Die Sarden haben sich und allen ihre Smaragdküste zurückgeholt. Es war richtig, was D.H. Lawrence 1919 feststellte: "Sardinien ist anders." (Der Standard, Printausgabe)