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Groß und mächtig
schicksalsträchtig...

Apa: Grohag Archiv
Der Weg ist nur schlecht erkennbar, er führt in Zickzacks vom Kapruner Törl hinunter zum Tauernmoossee. Konzentration ist gefragt, denn tief unten bricht der grasige Steilhang in senkrechte Felsen ab. Und plötzlich stehen sie da, in kaum 30 Metern Entfernung. Zwei kapitale Steinböcke, die neugierig und ein wenig spöttisch das seltsame Menschenwesen betrachten, das sich da nicht gerade geschickt durch ihr Reich tastet.

Nach einer halben Minute haben sie genug, in langen Sätzen jagen sie davon, eine Galavorstellung von eleganter Bewegung im unwegsamen Gelände. Hinten, im Gletscherbruch des Rifflkees, poltern die Eisbrocken, vorne, wo der Hang verflacht, rauscht das Schmelzwasser mäandernd durch ein Kiesbett. Gewaltige hochalpine Urlandschaft mit reißenden Wassern, Hochmooren, Karen und Übergängen: nur eine Etappe auf der siebentägigen "Glocknerrunde", einer rassigen hochalpinen Trekkingtour im Nationalpark Hohe Tauern.

Warum, dachten sich ein paar Leute vom Österreichischen Alpenverein, muss es immer gleich der Kailash sein, die allbeliebte Umrundung des mythischen Berges von Hindus und Buddhisten in Tibet oder der Paine-Circuit in Chile? Warum soll nicht auch der höchste Berg Österreichs umkreist werden? Gemeinsam mit den Verantwortlichen des Nationalparks Hohe Tauern "erfanden" sie die Glocknerrunde.

Die Erfindung bestand dabei darin, die vorhandenen Höhenwege und Schutzhütten in Tagesetappen einzuteilen, die in etwa fünf bis acht Stunden zu bewältigen sind. Eine Vorgabe war, dass die Route gletscherfrei und ohne Kletterstellen zu bewältigen ist. Der "Einstieg" ist von jedem Talort aus möglich: von Fusch, Kaprun oder Uttendorf in Salzburg, Kals in Osttirol oder Heiligenblut in Kärnten.

"Tauern", das Wort, das mehreren Gebirgszügen in Österreich den Namen gibt, bedeutet, ursprünglich und heute noch, einen Übergang, wie den Kalser Tauern, den Radstädter Tauern oder den Krimmler Tauern. Ab der Bronzezeit gingen Gold, Handelsgüter (Salz aus dem Norden, Wein aus dem Süden), Gefangene und Vieh diese hochalpinen Wege. (Im Kalser Tal gab es bis ins 13. Jahrhundert eine romanische Sprachinsel.)

Vor allem anderen macht die Begegnung mit dem Wasser in seinen unterschiedlichsten Formen das hochalpine Gehen in den Tauern zum Erlebnis. Die trotz des Schwunds in den vergangenen Jahrzehnten immer noch imposanten Hängegletscher, die Wasserfälle, Bäche und Seen und nicht zuletzt die gewaltigen Speicher von Kaprun führen vor Augen, was das eigentliche Element dieser Landschaft ist.

Das Wasser ist aber auch eine nicht zu unterschätzende Gefahrenquelle. Die Wetterlage ist hier, am Alpenhauptkamm, nicht selten instabil. Ein wolkenloser Morgen kann schon zu Mittag von heftigen Gewittern abgelöst werden, ein harmloses Bächlein, das man am Vormittag trockenen Fußes quert, kann am Nachmittag durch Schmelzwasser so angeschwollen sein, dass es nur barfuß, bis zu den Knien watend, überwunden werden kann.

Dazu kommen Schneefelder mit Sommerfirn - je nach Wetter und Tageszeit bockhart oder so weich, dass man bis zu den Hüften einsinkt. Der heurige unbeständige Sommer brachte es mit sich, dass viele Strecken - etwa der Silesia-Höhenweg - noch Ende Juli unter Schnee lagen. Der Alpenverein schreibt in einem Folder, dass die Runde "mit etwas Ausdauer, Kondition und Trittsicherheit kein Problem" darstellt. Das ist eine Untertreibung.

Nur sehr erfahrene Bergsteiger sollten sich ohne Bergführer auf das Unternehmen einlassen. Der Begriff Runde hat etwas Magisches, er assoziiert Vollkommenheit, ohne Anfang, ohne Ende. Eine Runde birgt aber auch den Zwang zur Vollendung, am Berg nicht ungefährlich. Die Chance, die Glocknerrunde beim ersten Mal zu Ende zu gehen, ist wegen der wechselnden Wettersituationen nicht von vornherein zu erwarten. Man scheue nicht den Abbruch und Rückzug oder plane von vornherein zunächst nur ein Teilstück. Das verlängert das Gesamterlebnis, und dieses ist die Rückkehr wert. (Der Standard/rondo/13/8/2004) Tipps: Informationsfolder "Glocknerrunde": In sieben Tagen rund um den höchsten Berg Österreichs. Das vom Österreichischen Alpenverein und dem Nationalpark Hohe Tauern herausgegebene Faltblatt enthält Kurzbeschreibungen der einzelnen Etappen inklusive Varianten, Routenskizze, Streckenprofil, Tipps zum richtigen Verhalten im Gebirge, Kontaktadressen der einzelnen Schutzhütten, Fremdenverkehrsverbände und Tourismusbüros, die über Bergführerbüros bzw. Alpinschulen Auskunft geben. Der kostenlose Folder ist beim Österreichischen Alpenverein, Tel.: 0512 / 595 47-0, Fax.: 0512 / 595 47-40; raumplanung.naturschutz@alpenverein.at oder über den Nationalpark Hohe Tauern, Tel.: 06546 / 401 23, Fax: 06546 / 401 22-20; reiseservice@nationalpark.at anzufordern. Hochgebirgsschule Glockner-Kaprun: Tel. und Fax 06547 / 8271 Karten: Alpenvereinskarten Nr. 39, 40 und 41. Alpiner Wetterdienst: Persönliche Beratung (Mo bis Sa 13 bis 18 Uhr): Tel.: 0512 / 291 600 Die gesamte Runde: Stausee Mooserboden - Kapruner Törl -Alpinzentrum Rudolfshütte (Tagesziel) - Kalser Tauern - Silesia-Höhenweg - Gradötzsattel (mit 2848 Metern der höchste Punkt der Runde) - Sudetendeutsche Hütte (Tagesz.) - Hohes Tor - Kals (Tagesz.) - Peischlachtörl - Glorer Hütte - Salmhütte (Tagesz.) - Stockerscharte - Margaritzen Stausee - Glocknerhaus (Tagesz.) - Pfandlscharte - Ferleiten - Fusch (Tagesz.) - Gleiwitzer Hütte - Brandlscharte - Talstation Gletscherbahnen Kaprun - Kaprun.