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"Der Schrei" war letztmals 2003 in Wien in der Albertina zu sehen.

Foto: REUTERS/HO
Oslo - Bewaffnete und maskierte Kunsträuber haben am Sonntag mit Waffengewalt vor zahlreichen Augenzeugen das weltberühmte Gemälde "Der Schrei" des Norwegers Edvard Munch (1863-1944) in Oslo entwendet. Mehrere Männer hätten "Der Schrei" sowie das Bild "Madonna" im Munch-Museum in ihren Besitz gebracht, berichtete Museumssprecherin Jorunn Christoffersen. Auch die Polizei bestätigte den spektakulären Raub. Die Räuber konnten flüchten. Die Polizei setzte massive Kräfte zur Verfolgung der Gangster ein.

Panik unter Museumsbesuchern

Zwei oder drei maskierte Männer drangen gegen 11.00 Uhr in das Museum ein und zwangen Wächter mit vorgehaltener Waffe, sich hinzulegen. Wie der Fernsehsender NRK weiter meldete, brach unter Museumsbesuchern Panik aus, weil sie zunächst an einen Terroranschlag glaubten. Verletzt worden sei bei der Tat niemand. Das Museum wurde geschlossen. Zeugen wollen gesehen haben, wie die Räuber in einem schwarzen Audi flüchteten.

Alarm blieb aus

Der französische Radio-Redakteur Francois Castang vom Sender France Inter sagte, er sei in dem Museum gewesen, als die Diebe in die Ausstellungsräume eingedrungen und mit den Bildern geflohen seien. Die Bilder seien offenbar einfach mit Drähten an der Wand befestigt gewesen. Ein Alarm sei nicht ertönt. Eine weitere Museumsbesucherin berichtete später im norwegischen Rundfunksender NTB, sie habe einen Mann mit einer schwarzen Maske gesehen, der eine Sicherheitsbedienstete zu Boden gezwungen habe.

Seipel: "Neue Dimension des Kunstdiebstahls"

Für den Direktor des Wiener Kunsthistorischen Museums, Wilfried Seipel, ist mit dem Raub eine "neue Dimension des Kunstdiebstahls" erreicht worden. "Wir haben schon beim Diebstahl der 'Saliera' aus dem KHM gesagt, dass das ein besonderer Vorfall war. Wenn jetzt noch Gewalt hinzukommt, ist nicht abzuschätzen, was das für die Museen bedeutet", so Seipel gegenüber der APA. Ein Museum sei schwer gegen eine derartige direkte Gewaltanwendung zu sichern, "wenn man nicht den Museumsbesuch vergleichbar mit der Einreise in die Vereinigten Staaten machen will", so Seipel. Dies wäre eine "starke Beeinträchtigung für den Kunstgenuss", so der Generaldirektor.

Wenige Stunden vor der Eröffnung der Winterolympiade in Lillehammer war 1994 "Der Schrei" aus dem Nationalmuseum in Oslo gestohlen worden, nach verschiedenen Berichten eine andere Version des Bildes. Das Bild wurde wiedergefunden. Die Diebe wurden zwei Jahre später zu hohen Strafen verurteilt.

"Der Schrei" - Frühes Meisterwerk des Expressionismus

"Der Schrei" stammt aus dem Jahr 1893. Es gilt als frühes Meisterwerk des Expressionismus. Es zeigt eine Frau mit weit aufgerissenem Mund. Nach Ansicht von Kunstexperten hat das Bild für Oslo die gleiche Bedeutung wie die "Mona Lisa" für Paris. Der materielle Wert des Werkes - gefertigt mit Fettstiften auf Pappe - lässt sich nicht in Zahlen fassen. Das Gemälde "Der Schrei" gibt es in mehreren Versionen. Die heute aus dem Munch-Museum geraubte Version ist in Tempera gemalt und misst 83,5 mal 66 Zentimeter.

Für Albertina-Direktor "Ikonen der Moderne" geraubt

"Ein Raubüberfall ist etwas, gegen das wir uns grundsätzlich nicht oder nur kaum wehren können". Dies sagte Klaus Albrecht Schröder, Direktor der Wiener Albertina, die im Vorjahr die nun geraubte Version von Edvard Munchs "Der Schrei" zeigte, am Sonntag zur APA. In Oslo seien mit "Der Schrei" und "Madonna" "zwei Ikonen der Moderne" geraubt worden", meinte Schröder.

Während des Aufenthaltes in der Albertina sei "Der Schrei" weniger gefährdet gewesen als im Edvard Munch-Museum in Oslo. "Es gibt einen Ort, den Täter meiden wie der Teufel das Weihwasser, und das sind sehr, sehr stark besuchte Ausstellungen", so Schröder. "Die Gefahr, dass sie bei der Flucht aufgehalten werden, ist in vollen Räumen ungleich größer". In der Munch-Ausstellung in der Albertina seien täglich 3.000 bis 4.000 Besucher verzeichnet worden, so Schröder. "Ich fürchte nur leere Ausstellungen".

Die oberste Maxime bei Raubüberfällen sei die Sicherheit der Personen. "Die Weisung ist, im Fall eines Raubes die Täter so schnell wie möglich aus dem Haus zu bringen", so Schröder. Durch vernetzte Sicherheitsaufzeichnungen soll dann der Identität der Täter auf die Spur gekommen werden, erläuterte Schröder.

Geplante Versicherungserpressung

Er ging davon aus, dass es sich beim heutigen Raum um eine geplante Versicherungserpressung handelt. Eine Hand voll Personen weltweit gelten für Täter und Versicherungen als vertrauenswürdig und würden versuchen, mit den Räubern Kontakt aufzunehmen, wenn diese nicht von selbst an die entsprechende Versicherung heranträten. Es gelte, den Schaden für die Versicherung zu minimieren. (APA/AFP/dpa/AP)