Sophie Quinton lernt als Schwesternschülerin in Gilles Marchands "Qui a tué Bambi?" das Fürchten

Foto: Cinestar
Wien - Eine Gruppe angehender Krankenschwestern probt eine Routinesituation: Konfrontiert mit Angehörigen verstorbener Patienten möge man auf missverständliche Umschreibungen wie "Sie hat uns verlassen" verzichten, erklärt die Lehrerin. Irgendwann später wird ein chinesisches Elternpaar dann nicht verstehen wollen, dass seine Tochter "gegangen" ist - eines morgens ist sie aus ihrem Bett verschwunden, und nur das Publikum ahnt bereits, dass sie tatsächlich nicht mehr unter den Lebenden weilt.

Der Film, der ganz beiläufig begann, hat sich da bereits zu einem glatten Psychothriller entwickelt. Qui a tué Bambi?, also: "Wer hat Bambi umgebracht?", von Gilles Marchand spielt in einem französischen Großkrankenhaus. Ein sinistrer Jungarzt (Laurent Lucas) schleicht dort nachts durch die Gänge und verabreicht Patientinnen heimlich Narkosemittel, um sie anschließend sexuell zu missbrauchen.

Eine Schwesternschülerin (Sophie Quinton), die selbst von mysteriösen Schwindelanfällen heimgesucht wird, schöpft allmählich Verdacht - doch zunächst will ihr niemand Glauben schenken. Dafür gerät sie selbst ins Visier des Übeltäters und damit bald in Lebensgefahr.

Regisseur und Autor Marchand, der unter anderem auch das Drehbuch zu Laurent Cantets klug durchgespieltem Rationalisiererdrama Ressources humaines (1999) verfasst hat, erweist sich bei seiner zweiten Regiearbeit als weit weniger genauer Beobachter von gruppendynamischen Prozessen und Arbeitszusammenhängen:

Das Krankenhaus wird vor allem über weiße Gangfluchten und modernistisch karg ausgestattete Krankenzimmer präsent gehalten. Wenn der Arzt, Dr. Philipp, auf seinen nächtlichen Streifzügen einmal die Wege einer Phalanx von Arbeitsrobotern kreuzt, so bleibt das das einzige Indiz für das rationalisierte Innenleben des Molochs. Und wenn das Gespräch auf Überbelegung und hohe Arbeitsbelastung kommt, dann lässt sich das nur schwer mit dem Gezeigten - eine Hand voll Schwestern, Ärzte und Patientinnen - in Einklang bringen.

Dafür weidet sich Qui a tué Bambi? lieber ab und an am gruseligen Schauwert bewusstloser, nackter Frauenkörper oder lässt seine Protagonistin mit großen Augen das Böse schauen - bevor sie auf dafür ungeeignetem Schuhwerk um die nächste Ecke flüchten darf. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26. 8. 2004)