Collage: STANDARD/Beigelbeck

Infografik: Finanzausgleich

Grafik: STANDARD
Den Kampf um die Gemeindejugend hat Helmut Ganser (SP), Bürgermeister im obersteirischen Gusswerk nahe Mariazell, fürs Erste verloren. "Laut vergangener Volkszählung hatten wir zwischen 1991 und 2001 eine Abwanderung von 17 Prozent", erläutert der Ortsvorsteher, "ohne neue Jobs in der Region ist es schwer, die jungen Leute zu halten".

Das Bevölkerungsminus - derzeit leben in Gusswerk noch 1550 Menschen - schlägt sich krass in den Gemeindefinanzen nieder. Um rund 181.000 Euro jährlich haben sich die von der Einwohnerzahl abhängigen Überweisungen von Ertraganteilen aus dem Finanzausgleich (siehe "Wissen: Mehr Geld aus dem Finanzausgleich") verringert.

Der Budgetausfall, so schildert der Ortschef, treibe ihn an der Rand von Rückzahlungsproblemen. Für Darlehen, mit denen sechs neue Kläranlagen bezahlt worden sind. "Wir mussten die Kläranlagen bauen, um dem Gemeindeabwasserplan Folge zu leisten", rechtfertigt sich der Bürgermeister der mit 285 Quadratkilometern flächenmäßig größten steirischen Gemeinde: Die Ortsansässigen müssten jetzt wesentlich höhere Abgaben als früher zahlen. Protestiert hätten sie bisher nicht.

Ohne Sicherheitsnetz

Gemeinden wie Gusswerk würden von Landflucht und den damit verbundenen Budgetausfällen ohne jedes Sicherheitsnetz getroffen, weiß auch Reinhard Platzer, Präsident des bevorzugten heimischen Darlehensgebers für Gemeinden, der Kommunalkredit. Ohne lokal ansässige Betriebe gebe es kein nennenswertes Kommunalsteueraufkommen: "Der Ort lebt dann allein vom Finanzausgleich."

Vor allem im ländlich strukturierten Osten - und dort wiederum in der Obersteiermark, dem südlichen Burgenland und Teilen Niederösterreichs - häufen sich solche prekären Gemeindebudgets. Um Ausgaben zu sparen, versuche man, "so wenige Aufträge wie möglich nach außen zu vergeben und was geht von Gemeindemitarbeitern erledigen zu lassen", schildert Johann Nussgraber, Bürgermeister von Kemeten im Südburgenland. Der Nachteil: Die Aufträge fehlen dem schwachbrüstigen lokalen Gewerbe.

"Leistungen gemeinsam einkaufen"

Besser wäre es, die Gemeinden würden sich zusammentun und Leistungen gemeinsam einkaufen, schlägt stattdessen Helmut Mödlhammer, Präsident des Österreichischen Gemeindebunds, vor (siehe Interview). So wie es die Salzburger Gemeinde Mittersill in den Kitzbüheler Alpen schon seit mehreren Jahren tut, um von den Kosten für ihr Gemeindespital nicht völlig erschlagen zu werden.

"Im Einkauf arbeiten wir eng mit dem Krankenhaus im Tiroler Imst zusammen", schildert der Mittersiller Bürgermeister Wolfgang Viertler (FP). Ein kurzer Blick ins Gemeindebudget zeigt, wie sehr das nötig ist: Von 20 Millionen Euro Gesamtbudget der 5700-Einwohner-Gemeinde fließt die Hälfte in die Spitalfinanzierung. Freie Mittel, etwa für den Wegbau, stehen praktisch keine mehr zur Verfügung.

Zwickmühle Spital

Als Spitalerhalter empfindet sich Viertler als Opfer "historisch gewachsener Strukturen, die ins 21. Jahrhundert mitgeschliffen worden sind". Doch auf das teure Haus könne die Gemeinde nicht verzichten: "Ein Krankenhaus ist ein sozialer Vielfältigkeitsspeicher", erläutert der Ortschef. Eine Schließung - die, wie er betont, nicht auf der Tagesordnung steht - würde den Standort schwächen: "Mittersill liegt 80 Kilometer von der nächsten Autobahn entfernt."

Um einer solchen Schwächung entgegenzutreten und die Bewohner an den Ort zu binden, hat man im burgenländischen 1530-Einwohner-Ort Kemeten mehr als fünf Millionen Euro in geförderte Wohnbauten investiert. Da die Einwohnerzahl nicht gesunken sei, wird die Rückzahlung wenig Probleme machen. Für die kommenden Jahre, so Ortschef Nussgraber, steht das Gemeindebudget damit - "doch wenn es aus dem Finanzausgleich keine Ertragssteigerungen gibt, wird den Bürgern in sechs, sieben Jahren auffallen, dass die Straßen immer schlechter werden". (Irene Brickner, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.8.2004)