Wien – Die ÖVP-Spitze war am Freitag mit Interpretationsarbeit beschäftigt: Denn der ÖAAB-Beschluss vom Donnerstag, wonach ein Pensionsantritt nach 45 Jahren ohne Abschläge möglich sein soll, brachte die Vorderen der Volkspartei einigermaßen in Erklärungsnotstand. Sind doch im Regierungsentwurf, der von der ÖVP-Spitze mit Nachdruck verteidigt wird, sehr wohl Abschlagszahlungen auch für die, die mit 60 schon 45 Versicherungsjahre beisammen haben, geplant.

"Kein Muss", sondern nur ein "Soll" sei die ÖAAB-Forderung, relativierte etwa ÖAAB-Vertreterin und Bildungsministerin Elisabeth Gehrer. Und so ist für Gehrer der ÖAAB-Beschluss, den sie selbst mitgetragen hat und den Sozialforscher Bernd Marin als "Kriegserklärung an die Regierung" versteht, "nicht gegen die Parteilinie", sondern nur ein "Verhandlungsauftrag" an ÖAAB-Chef Fritz Neugebauer, in Personalunion auch Chef der Beamtengewerkschaft GÖD. Sie selbst habe dafür gesorgt, dass die 45- Jahr-Formel (echte Beitragszeiten, ohne Ersatzzeiten) nicht als Muss-Forderung formuliert worden sei: "Ich habe dafür gesorgt, dass kein Beschluss gefasst wird, wo man auf einem Baum sitzt, von dem man nicht mehr runterkommt."

Es sei nun Neugebauers Verhandlungssache, wie man jemandem, der wirklich selbst 45 Jahre Beiträge bezahlt hat, "einen kleinen Bonus geben kann", so Gehrer: Jedenfalls "gibt es keine Spaltung in der ÖVP". Zusatz: "Die Vizeparteiobfrau würde nie im Leben etwas gegen den Parteiobmann machen."

Auch Nationalratspräsident Andreas Khol, kooptiertes ÖAAB-Vorstandsmitglied, mochte kein Abweichen von der Regierungslinie erkennen. Jetzt gehe es darum, ein "Zeichen" für jene zu setzen, die sich mit 45 Beitragsjahren als "besonders fleißig" erwiesen hätten. Finanzstaatssekretär Alfred Finz, ebenfalls kooptierter ÖAABler, freute sich über eine "vernünftige Verhandlungsposition". (APA, nim/DER STANDARD, Printausgabe, 28./29.8.2004)