Was alles laut Artmann ans "gmiad" geht

Wien - Gemütlich kommt von Gemüt. Aber wenn in Wien etwas "en s gmiad gehd", steht noch nicht unbedingt fest, wie das wirklich gemeint ist. Sinngebend fürs "Weana Gmiad" sind Tonfall und die weitere Umgebung des Satzes.

Wahrhaft meisterhaft hat diesen Doppelsinn H. C. Artmann in seinem Gedicht "wos an weana olas en s gmiad ged" aufgearbeitet. Dem Internet sei Dank findet sich dort auch eine Übersetzung für nicht gelernte Wiener - "Was einem Wiener alles ans Gemüt geht."

Das fängt schon an mit: "a faschimpöde fuasbrotesn" - das geht den Wienern "en s gmiad", das in diesem Fall bei den Nieren angesiedelt ist: "eine verschimmelte Fußprothese".

Was den Wienern noch an die Nieren geht: "a schas med qastln" - "ein Furz mit Quasten"; "a zbrochns nochtgschia" - "ein zerbrochenes Nachtgeschirr"; "de muzznbocha med an nosnromö oes lesezeichn" - "die Mutzenbacher mit einem Nasenrammel als Lesezeichen"; "a rodlbadii med dode" - "eine Rodelpartie mit Toten". Oder: "es gschbeiwlad fua r ana schdeeweinhalle". Man muss vielleicht nicht alles übersetzen. Dann aber gibt es wieder eine andere Kategorie, die tatsächlich eher in Richtung gemütlich und wohlfühlen geht. Wie etwa "es genseheiffö" - "das Gänsehäufel", "a eadöpfesolod" - "ein Erdäpfelsalat".

Und mitten drinnen im Gedicht: "a schrewagatal en otagring" - "ein Schrebergarten in Ottakring". In welche Richtung dort das "gmiad" geht, gilt es aber erst zu ergründen.

Idyllische "Grillasch"

Eine derartige hochsommerliche Idylle brütet über der Schrebergartensiedlung hinterm Ottakringer Bad, dass Artmann gleich noch zu ganz anderen Gedichten inspiriert worden wäre. Sonnenschirme, Planschbecken und "Sechzehner-Wampen" (Ottakringer Bierbäuche), Hundebellen und Kinderquietschen hinter den Zäunen.

Über allem die Schwaden der "Grillasch" (des Grillens). Schilder mit Gemütlichkeitsparolen über den Heerscharen von Gartenzwergen. Und der ewige Widerstreit der Schrebergärtnerei ist noch immer nicht entschieden: Peinlich genau abgefitzelte Rasen - oder wildes Wuchern des Buschwerks.

Falsche Sackgasse

Dann aber ein Gang, vor dessen Türe ohnehin schon ein angerostetes Schild wie warnend hängt: "Kein Durchgang - Sackgasse". Dahinter ein Haus mit vom Hauptweg abgewandter Terrasse. Darauf zwei Typen, Marke Goldkette im Brustmattengestrüpp, die wir besser gleich gar nicht fragen, welchen Geschäften sie sonst so nachgehen. Wir marschieren still weiter. Beobachtet über einen Konvexspiegel an der Stange, wie sie sonst an Straßenecken montiert sind. Praktisch - sieht man gleich mit einem Blick, ob ungebetener Besuch droht. Dann könnte man immer noch schnell auf der anderen Seite raus. Von wegen Sackgasse.

Das geht uns "en s gmiad", des is uns nimmer wuascht. (DER STANDARD, Printausgabe, 31.08.2004)