Bis zu seiner Schließung diente das Schlössl-Kino nur dumpfcineastischen Rein-Raus-Filmchen. Nun wird an seiner Wiedereröffnung gearbeitet.

Wien – Natürlich ist es absolut unmöglich, jemanden zu finden, der jemals dort gewesen ist. Schließlich war niemand jemals in einem Pornokino. Von wem dann die zahllosen Taschentücher unter den Sitzen und all die Dinge "von denen ich gar nicht wissen will, was sie sind" stammen? Diese Frage nicht beantworten zu können, lacht Adrian Garcia-Landa, habe er mittlerweile akzeptiert. Das sei ein Stadt-Mysterium. "Wichtig ist, dass das Zeug jetzt weg ist. Und auch der eklige Geruch, der einem auch jetzt noch mitunter den Atem verschlägt, wird sich verflüchtigen."

Und dann, wenn sich sogar das olfaktorische Aroma von einsam-männlichen Ausdünstungen aus Sitzen, Wänden und Boden des Schlössl-Kinos verzogen haben wird, soll hier ein anderer Geist einziehen. Der 33-jährige Franzose ist gerade dabei, das diesen Mai geschlossene Lust-Lichtspielhaus in der Margareten Straße wieder zu beleben. Schon im Oktober soll die einstige Schmuddelhütte in neuem Glanz erstrahlen – als Theater. Schwerpunkt: Improvisation. Darauf, dass auch die früher hier gezeigte Rein-Raus-Kunst auf eher rudimentären Drehbüchern basierte, geht Garcia-Landa nicht ein – ihn interessiert das, was kommen soll: "Graz und Linz haben wie fast jede große europäische Stadt bereits ein Improvisationstheater. Wien noch nicht."

Dass sich so ein vom Publikum via Stichwort gesteuertes Theater nicht rechnen kann, ist aber auch dem Schlössl-Erwecker klar. Deshalb soll das alte Kino ja auch weiterhin als Kino Dienst tun. Allerdings stellt sich Garcia-Landa unter "Programmkino" etwas anderes vor, als es ein bei den Räumungs- und Restaurationsarbeiten bisher übersehene Plakat in einem alten Schaukasten suggeriert, wenn es das Schlössl als "Kino für geile Stunden" anpreist.

Obwohl: So wie das G-Wort heute benutzt und verstanden wird, ist das vielleicht gar nicht so falsch. Schließlich soll in der Margareten Straße in Zukunft auch Österreichs erste "Movieoke"-Bar entstehen. Hinter dem Unwort, erklärt der seit 1993 in Wien lebende Adrian Garcia-Landa verstecke sich ein derzeit in New York und anderen Weltstädten ziemlich angesagter Freizeitspaß.

Tara in Margareten

So, wie sich Otto Normalverbraucher in Karaokebars zum Playback irgendwelcher Klassiker zum Affen machen kann, soll das Anna Durchschnitt in Zukunft auch mit Lieblingsszenen aus ihrem Lieblingsfilm machen können: Auf die Wand hinter der Bühne wird eine kurze Szene projiziert – und davor gibt Mizzi Mayer die Scarlet OHara vor dem brennenden Farmhaus, die in die Arme von Karli Woprschalek (in der Rolle des Rhett Butler) sinkt.

In der New Yorker "Two Boots" Bar, erzählt Garcia-Landa, funktioniere dieses Konzept hervorragend. Es würde, hofft der Absolvent der Filmakademie, "großes Interesse für das neue Schlössl-Kino generieren."

Ob das alles wirklich klappt, weiß der Schlössl-Restaurator natürlich, werde erst die Praxis zeigen: Derzeit arbeitet etwa ein Dutzend Studenten ehrenamtlich und fieberhaft daran, das alte Schmuddeltheater bis zur Eröffnungsfeier am 11. September in Schuss zu bringen. Der Vollbetrieb soll dann einen Monat später beginnen. Die Genehmigung, das alte Kino zu nutzen und zu bespielen, sei zunächst einmal auf ein Jahr beschränkt, erklärt Garcia-Landa. Doch auch wenn das Konzept nicht aufgehen sollte, wird er auf einen Dreh zur Hebung der Besucherfrequenz ganz bestimmt nicht zurückgreifen: Auf die zur Schau gestellte zwischenmenschliche Interaktion nackter Körper wird im Schlössl-Kino in Zukunft sicher verzichtet werden. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1.9.2004)