Für die Regierungsmannschaft und den ÖVP-Sozialsprecher Walter Tancsits steht die Formel fest, dass das Pensionsalter für alle mit 65 Jahren festgeschrieben werden muss. Doch Landeshauptmann Haider besteht – sanfter im Ton, doch fest in der Sache – auf Ausnahmen.

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Wien – Die ÖVP ist bei der Pensionsharmonisierung tief gespalten – und Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider will an diesem Punkt einen Keil ansetzen: Angesichts der inhaltlichen Übereinstimmung seiner Forderungen mit denen der im ÖAAB organisierten Arbeitnehmer "sind wir parlamentarisch in der Lage, etwas Druck zu machen".

"Wie das Match ausgeht", erscheint ihm offenbar aber nicht mehr so klar zu sein? wie bei seiner ursprünglich kategorischen Festlegung am 27. August im STANDARD-Interview: "45 Jahre ohne Abschläge für Schwerarbeiter – da fährt der Zug drüber, das muss der ÖVP klar sein."

In der ÖVP gibt es dazu die Denkschule des ÖAAB, der Haiders Position teilt. Und jene, die der Sozialsprecher Walter Tancsits dem STANDARD auseinander setzt: "Jede individuelle Auflösung der Formel, dass man 80 Prozent Pension bekommen kann, wenn man 65 Jahre alt ist und 45 Beitragsjahre hat, führt dazu, dass andere länger arbeiten, weniger bekommen und mehr zahlen müssen. Das muss jedem klar sein, der Ausnahmen fordert."

Haider argumentiert, dass man 45 "echte", also mit voller Beitragsleistung abgediente Ar^beitsjahre anders bewerten müsse als etwa 45 Jahre, die nur durch Einrechnung von Ersatzzeiten zustande kommen.

Stimmt eben nicht, widerspricht Tancsits: Es sei erklärtes Ziel der Bundesregierung, alle Versicherungszeiten gleich zu behandeln und aus bisherigen Ersatzzeiten – etwa für Kindererziehung oder Arbeitslosigkeit – echte Beitragszeiten zu machen.

Der ÖVP-Sozialpolitiker widerspricht damit nicht nur Haider, sondern vor allem auch den Oppositionspolitikern, die in den letzten Tagen mehrfach die Vermutung geäußert haben, dass es der ÖVP nur um Beitragsjahre mit voller Arbeitsleistung gehe. Da ginge es sich für Frauen, die Kinder erziehen, praktisch nicht mehr aus, 45 Jahre zusammenzubringen.

Das Gegenteil sei wahr, meint Tancsits: Für Frauen, die üblicherweise in jungen Jahren mit geringem Einkommen Kinder bekommen und aufziehen, werden nunmehr echte, pensionsbegründende Beiträge aus dem Familienlastenausgleichsfonds in das Pensionssystem eingezahlt – und zwar in einer Höhe, die dem (meist über dem Erwerbseinkommen liegenden) Medianeinkommen entspricht. Als diese Regelung vor zwei Jahren mit dem Kinderbetreuungsgeld eingeführt wurde, waren SPÖ und ÖGB dagegen.

Saturierte Senioren

Tancsits sagt, die Familienförderung müsse "Versäumnisse von 30 Jahren sozialistischer Politik, auch von absolut verfehlter Bevölkerungspolitik" wieder wettmachen. Er warnt: "Wer sich in der Sozialpolitik auf die Lobbyierung der Frühpensionisten verlegt, provoziert einen Generationenkonflikt.

Und in den Städten droht der nächste Konflikt: Da lebt eine saturierte Seniorengeneration, die oft selber keine Kinder hat, neben einer Generation erfolgreicher Immigranten, die zu den hiesigen Senioren keine Bindung hat – und ich glaube nicht, dass ein Kosovare oder Bangladeshi freudig 40 Prozent seines Einkommens für die Pension von Leuten aufwenden will, die er nicht kennt, die behaupten, ihn nicht gerufen zu haben, und die die ihn in Wirklichkeit gar nicht wollen, außer als Beitragszahler." (Conrad Seidl/DER STANDARD, Printausgabe, 7.9.2004)