Foto: Viennale 2003
Wien - Wenn die Handkamera in Peter Solletts Regiedebüt Long Way Home (original: Raising Victor Vargas) eine gewisse Unruhe vermittelt, dann weniger, weil der junge US-Regisseur sich erst auf die Suche nach dem begibt, was er erzählen will. Er weiß es sehr genau. Nicht umsonst wurde sein Porträt von Familienleben und erster Liebe junger Lateinamerikaner in New Yorks Lower East Side von Robert Redfords Sundance Institute mitunterstützt (und erntete im Übrigen in den USA hymnische Rezensionen).

Nein, die Unruhe in Long Way Home dankt sich einer nur mühsam gebändigten Lebens- und Spielfreude jugendlicher Darsteller wie Victor Rasuk, Judy Marte, Melonie Diaz, die gleichzeitig fast nebenher vorführen, wie das ist: die Träume und Selbstinszenierungen vor dem "ersten Mal" - und dann eine jähe Ernsthaftigkeit, wie eine Ahnung, dass sich schon demnächst die ersten Limits und verlorenen Illusionen am Horizont abzeichnen.

Und so macht jeder jedem etwas vor; man posiert, was das Zeug hält; trockene Lippen sind angeblich überhaupt nicht cool - und letztlich will doch jeder: Ernsthaftigkeit, Offenheit. Victor will Judy verführen, und lernt dabei vor allem seine eigenen Schwächen kennen.

In der Zeichnung beengter und dennoch vitaler Verhältnisse ist in diesem schönsten Teenagerfilm seit langem vor allem eine ältere Dame ein großer Glücksfall. Altagrazia Guzman vermittelt als Victors Großmutter einen lakonischen Schutz und gleichzeitig Ahnungen davon, wie die Vorläufergenerationen dieser (kolumbianischen) Kids gelebt haben mögen.

Dass Long Way Home dieser Tage in untertitelter Originalfassung im Wiener Votiv Kino zu sehen ist, dankt sich auch der STANDARD-Leserjury der letztjährigen Viennale: Sie erkor dieses kleine Meisterwerk zur besten, sehenswertesten Arbeit unter all jenen Filmen, die während der Wiener Filmfestwochen noch keinen Verleih hatten. Hier also noch einmal: höchste Empfehlung! (DER STANDARD, Printausgabe, 7.9.2004)