Cala Luna

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In Olbia muss man sich entscheiden, links oder rechts, zumindest, wenn man Urlaub am Meer machen will. Olbia ist der große Hafen für alle, die aus unseren Breitengraden per Schiff nach Sardinien kommen (Golfo Aranci ist der kleine), und der Flughafen erster Wahl, seit es die Costa Smeralda gibt.

Die wäre dann rechts. Und das bedeutet, dass die Ankömmlinge auf der Suche nach den smaragdfarbenen Buchten viel Unbill in Kauf nehmen. Dort, wo es mal so exklusiv zuging, dass es außer ein paar Hirten überhaupt niemanden auf den felsigen Hügeln gab, balgen sich jetzt Prominenz-Süchtige um Bauland und Fünf-Sterne-Betten. Dass man das Wasser vor Yachten nicht mehr sieht, ist nur gering übertrieben. Aber wenigstens kommen die Angereisten auf den vielen Schnell- und Panoramastraßen einigermaßen vorwärts.

Wenn sie Glück haben. Pech ist, wenn Herr Berlusconi auch gerade in die Richtung will und nicht den Hubschrauber zu seiner monströsen Villa Certosa an der benachbarten Costa Turchese nimmt, sondern den eskortierten Panzerwagen, wodurch der Verkehr endgültig zum Erliegen kommt.

Also lieber links. Die Ostküste von Sardinien, von Olbia hinunter bis in die Gegend von Arbatax, kann nämlich auch smaragden sein und der Strand weiß oder rötlich, je nach dem ursprünglichen Gestein. Nur muss man die so gefärbten Buchten zwischen den wie man hört imposantesten Steilküsten des ganzen Mittelmeeres suchen, und das ist das Schöne an der Gegend. Da und dort erweitert sich die Küste zu Flussdeltas und Pinienhainen, dann haben Feriendörfer Platz wie das Matta Village bei Posada, und die Gäste finden den aus Italien gewohnten langen Strand vor mit ungewohnt sauberem Wasser und viel Platz.

Ungewohnter noch sind die Kontraste zwischen dem bis 2000 Meter hohen Rücken der Monti del Gennargentu, den fast menschenleeren Tälern und der plötzlichen Verdichtung an Zivilisation. An der Quelle Su Gologone etwa, die genug Wasser für eine oasenartig wuchernde Vegetation hervorsprudelt und für ein Hotel mit grandiosem Restaurant. Im Niemandsland, wie es scheint, aber dann ist es doch nicht weit zur Straße von der Provinzhauptstadt Nuoro nach Dorgali, dessen Cannonau-Rotweine auch dem strengen Gambero Rosso mehrere Kelche wert sind. Von dort machen sich die Weiterreisenden wieder auf karge Felsen gefasst.

Stattdessen erwartet sie nach einem entrischen Tunnel ein Blick auf eine weite Bucht, den Golf von Orosei. Die Straße schlängelt sich hinunter zu einem Ort, zu einer ordentlichen italienischen Infrastruktur, will heißen eine Bar del Porto und ein Caffé Centrale (oder umgekehrt), mehrere Kirchen und viele Leute, die Zeit haben, das Hafentreiben gelassen zu beobachten.

Cala Gonone nämlich ist der Ausgangspunkt für Schiffsfahrten zu einigen der schönsten Grotten und Stränden Italiens (siehe Interview). Spätestens am Abend gibt es dann ausgezeichnetes Essen zu ganz unsmaragdenen Preisen; das freut die nicht mehr Weitereisenden - denn weiter geht es hier nicht. Irgendwie ist man auch angekommen. (Michael Freund/Der Standard/rondo/10/9/2004)