Venedig (APA) - Der deutsche Filmregisseur Wim Wenders hat bei der Biennale von Venedig den diesjährigen Robert-Bresson-Preis erhalten. Die Auszeichnung wurde ihm vom Präsidenten des Päpstlichen Medien-Rates, Erzbischof John Foley, überreicht. Mit dem Bresson-Preis werden Filmschaffende geehrt, die sich in herausragender Weise mit spirituellen Themen auseinander setzen, berichtet Kathpress am Donnerstag. Im vergangenen Jahr erhielt der polnische Regisseur Krzysztof Zanussi die Auszeichnung, die gemeinsam von den Biennale-Veranstaltern und den vatikanischen Gremien für Kultur und Medien verliehen wird.

Meditative Momente zu existenziellen Themen in Wenders Filmen

In seiner Laudatio betonte Foley, dass in den Filmen von Wenders stets der Mensch mit seinen Erinnerungen, seinen Kommunikationsbarrieren und seinem Bedürfnis nach Liebe im Mittelpunkt stehe. In seinem Werk fänden sich viele meditative Momente zu existenziellen Themen, zum Sinn des Lebens, zum Bösen, zum Tod und zum Jenseits. Seine Anknüpfung an die ewigen Werte und an die persönliche Hingabe bauten eine spirituelle und transzendente Brücke, über die der Mensch sich selbst, seinen Nächsten und Gott wiederfinde, so der Erzbischof.

Beifall für "Land of Plenty"

Der neue Film des Regisseurs "Land of Plenty" ist beim Festival in Venedig mit Beifall aufgenommen worden. Die Kritiker am Mittwochabend klatschten brav, wenn auch nicht gerade frenetisch. Die Mailänder Zeitung "Corriere della Sera" meint gar schon, Wenders sei als "Favorit an den Lido zurückgekehrt". Wenders, der 1982 als bisher letzter Deutscher einen Goldenen Löwen gewann, gibt sich locker: Er sei sehr gerne am Lido, wenn er sich mit seinem Beitrag auch beileibe nicht als Favorit sehe. Im übrigen wolle er demnächst wieder mal in Deutschland drehen, und zwar einen historischen Film.

Film über Verunsicherung, Sicherheitsbedürfnis und Sicherheitswahn in den USA

Mit "Land of Plenty" ist dem 59-Jährigen aber erst einmal etwas Besonderes gelungen: Er hat einen großen Spielfilm über Amerika nach dem "11. September" vorgelegt, einen Film über Verunsicherung, Sicherheitsbedürfnis und Sicherheitswahn - und über die neue Armut in den USA. Allein das wäre bemerkenswert. Noch bemerkenswerter aber ist, dass Wenders das ohne platte Kritik gelingt, ohne simple politische Botschaft und ohne jenen Anflug leiser Schadenfreude, die heute im "alten Europa" mitunter aufkommt, wenn es um Amerika, die Regierung Bush und die Folgen geht. Wenders hat ganz einfach einen guten Film gedreht - mit großen Bildern, witzigen Passagen und guter Rockmusik.

Wenders bereiten "Armut, Paranoia und Patriotismus" in den USA Sorgen

"Der Film handelt von all jenen Dingen, die mir am derzeitigen Amerika Sorge bereiten: Armut, Paranoia und Patriotismus", meinte der Regisseur schon vor der Premiere. Der Zwei-Stunden-Film spielt in Los Angeles, wo Wenders seit Jahren lebt, und das ist nicht unwichtig: Wenders weiß, wovon er erzählt. Eine Hauptfigur ist der Vietnamveteran Paul (John Diehl), ein kaputter Typ, kettenrauchend und mit Nachkriegstrauma, der an Paranoia leidet, hinter jedem Araber einen Terroristen sieht - und auf eigene Faust auf Terroristenjagd geht. Zweite Hauptfigur ist seine Nichte Lana (Michelle Williams), eine christliche Missionarin, jung und zärtlich, die gerade aus dem Nahen Osten zurück ist und sich nun um Obdachlose und Einwanderer in Los Angeles kümmert - und die Menschen nicht nur als Bedrohung empfindet.

Gemischte Gefühle über USA verpackt in gegensätzliche Charaktere

"Ich habe mich dazu entschlossen, meine sehr gemischten Gefühle (über Amerika) in zwei ganz gegensätzlichen Charakteren auszudrücken", sagt Wenders. Beide finden zusammen, als ein obdachloser Araber auf offener Straße erschossen wird: Paul, der paranoide, selbst ernannte Sicherheitsbeamte sieht dahinter eine Abrechnung unter Terroristen - seine Nichte will als gute Christin den Angehörigen die Leiche zurückbringen. Wenn ein solches Paar auf gemeinsame Mission geht, muss es hoch hergehen, selbst wenn die Reise erst mal nur vor die Tore von Los Angeles führt. Da dringt Paul, gepanzert wie ein Maikäfer, in ein mutmaßliches Terroristennest ein - und findet nur eine kranke alte Frau, die sich eine markige Bush-Rede im TV ansieht. Und am Ende sitzt Paul auf dem Sofa eines lächelnden und liebenswerten Pakistani, eines potenziellen Terroristen also, trinkt mit ihm billigen Wodka - und bemerkt mit Staunen und leichtem Schrecken, dass ihm das vertraute Weltbild aus den Fugen gerät.

Wenders: "Ich liebe Amerika"

"Ich liebe Amerika, ich liebe das Land, seine Menschen und viele seiner Ideen", verrät Wenders der römischen Zeitung "La Repubblica". Und in der Tat merkt man diese Haltung dem Film an: Statt ätzender Kritik überwiegt ein Ton des Verstehens. Man möge bitte von ihm keine Botschaften erwarten, warnt Wenders. Stattdessen wird der Film zum Ende immer stärker, auch immer humorvoller, mit wunderschönen Landschaftsszenen - ob das für einen zweiten Löwen reicht? (APA/dpa)