Wien – "Wir haben noch gar keine Unterlagen bekommen. Am besten, Sie probieren es alle drei Wochen noch einmal." In der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) ist man ratlos. Wer am Donnerstag Auskunft über seine eigene Altersvorsorge haben wollte, wurde vertröstet.

Auch über die organisatorische Abwicklung des Pensionskontos herrscht bei der PVA derzeit noch Unklarheit. Aufwändig wird es aber bestimmt: Denn die Versicherungsdaten werden erst sei 1972 digitalisiert.

Schon bisher wurden meist erst auf konkrete Anfrage Krankenkassen und Arbeitsämter zwecks Datenaushebung kontaktiert, um Pensionshöhe und -antritt von Einzelpersonen zu eruieren. Aufrufe an alle Jahrgänge, die erforderlichen Daten zur Rekonstruktion ihres Berufslebens zu übermitteln, hatten lediglich eine Rücklaufquote von rund 30 Prozent.

Ewald Wetscherek, Generaldirektor der PVA, zum Standard: "Wir haben etwa 700.000 unabgewickelte 'REV- Verfahren'." Gemeint ist die "Rückwirkende Erfassung von Versicherungszeiten", die für das Pensionskonto rekonstruiert werden müssen. Am Freitag trifft man sich deshalb zur ersten operativen Sitzung.

Die drei Rechenplus

Im Sozialministerium wird indes bereits fleißig gerechnet. Und im Gegensatz zu den von der Arbeiterkammer vorgelegten Fällen kommt in den drei Rechenbeispielen des Ministeriums jeweils ein Plus heraus. Der Haken an der Sache: Das Sozialministerium geht von einem Pensionsantritt zwischen 2004 und 2006 aus, die angeführten Personen sind alle über 50 Jahre alt und von der Pensionsharmonisierung daher auch gar nicht betroffen.

Im Gegenzug wies ÖVP-Sozialsprecher Walter Tancsits der Arbeiterkammer vor, ihre Beispiele seien "falsch". Sie vergleiche "Äpfel mit Birnen", meinte Tancsits.

Der Harmonisierungsentwurf benachteilige Frauen massiv, kritisierten SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures und SPÖ-Bundesfrauensekretärin Bettina Stadlbauer. Ungerechtigkeiten würden "einzementiert und noch verschärft", befürchtet Bures. Stadlbauer fragt sich, ob die zuständige Frauenministerin, Maria Rauch-Kallat (VP), überhaupt noch im Amt sei.

Replik von VP-Frauensprecherin Elisabeth Scheucher-Pichler: Die SP-Frauen betrieben Realitätsverweigerung und ignorierten jede Verbesserung für Frauen. Sie mögen doch zur Kenntnis nehmen, dass in Zukunft drei Jahre pro Kind aus der Durchrechnung herausgenommen und Kindererziehungszeiten pro Kind sowie die Beitragsgrundlage verdoppelt werden.

Die Pensionsharmonisierung war auch Thema bei der Klubklausur der Grünen in Vorarlberg. Sozialsprecher Karl Öllinger kritisierte die Reform als "reines Kürzungsprogramm und misslungene Harmonisierung". Seiner Meinung nach sei bereits 2007 die nächste Pensionsreform fällig. Im Falle einer Regierungsbeteiligung würden die Grünen versuchen, positive Änderungen herbeizuführen.

Die schwarz-blaue Regierung sei "unsauber" vorgegangen, meint Öllinger. Es gebe keine Stichtagsregelung. Durch die Unterscheidung in Unter-50-Jährige und Über-50-Jährige würden "völlig unterschiedliche Rechtslagen" geschaffen. Auch der große Vorteil, mit dem man das System angepriesen habe, nämlich das Pensionskonto, werde de facto erst ab dem Jahr 2050 wirksam. Zuvor gebe es "ein Mischsystem und Parallelrechnungen".

Öllinger sprach zudem von einem "Geburtsfehler des neuen Systems mit unterschiedlichen Beiträgen und gleichen Leistungen". Die Finanzierung der Kindererziehungszeiten sei auch problematisch, gab er zu bedenken.

Mangelnde Beitragsgerechtigkeit kritisierten am Donnerstag auch die Christgewerkschafter. Die FCG-Fraktion macht ihre Zustimmung "von wesentlichen Änderungen" abhängig. (kmo, nim, völ/DER STANDARD, Printausgabe, 10.9.2004)