Das mit dem Tisch habe der Sache einiges an Authentizität genommen. Aber Gregor Almassy hat Verständnis: Es wäre kompliziert gewesen, sein Gesicht und die Ritter auf eine andere Art gemeinsam, gut und verrenkungsfrei (Almassy, nicht die Ritter) auf das Bild zu bekommen. "Ich glaube aber nicht, dass ich als Kind je auf dem Tisch gespielt habe", erklärt der FM4-Marketingchef dennoch, "das wundervolle an Playmobil war, dass man stundenlang am Boden sitzen konnte, die Welt rund um sich vergessen hat und außer den Figuren nichts und niemanden gebraucht hat."

Aber ganz authentisch-retrospektiv, gibt der 31-Jährige zu, sei sein Playmobil-Wunschset für das RONDO-Shooting ohnehin nicht: Ritter habe er nie gehabt. Aber sich immer gewünscht. Natürlich heißt das nicht, dass Almassy mit seinen eigenen Playmobilfiguren unglücklich war: Als er sechs Jahre alt war, erinnert sich der Radiovermarkter, der im Oktober selbst Vater werden wird, zog die Familie um. "Ich hatte im Garten ein Eck. Mein Vater hat da eine maßstabsgetreue Westernstadt hineingebaut." Der Saloon hatte sogar funktionsfähige Schwingtüren gehabt. Im Sommer habe er mit seinen Cowboys ("mein Liebling war der Sheriff") und der Kavallerie ("mit einer Kanone, die funktioniert hat.") gespielt. Im Winter baute er Skisprungschanzen: "Wenn der Anlauf nicht zu schnell war, haben die den Sprung wirklich geschafft - das war das Größte." Aber wenige Sommer später war Playmobil-Alamo: "Ein Indianerüberfall. Ich habe mit einer Lupe Löcher in die Cowboys gebrannt, um Pfeile hineinzustecken."

Das Leben wurde männlich: Playmobil folgte Big Jim. Dann kam die Carrera-Rennbahn. Und obwohl Almassy seinen 30er in einem Lokal mit Modellautorennbahn zelebrierte, betont er, beim Denken an die eigene Kindheit keine Wehmut zu verspüren. "Da hieße doch, dass ich wieder ein Kind sein will - aber das würde nicht passen. Das ist heute eine völlig andere Welt." In den 30ern zu sein, sei cool - und dass an seinem Geburtstag Rennauto gefahren wurde und er zu Hause mit Freunden vor der Playstation abhänge, passe: "Das ist ein Alter, in dem man sich zum einen wünscht jünger zu sein, andererseits aber doch die bisherige Lebenserfahrung nicht missen will."

Der Abstand, manches bereits belächeln zu können, stehe immer noch im Widerstreit mit dem Drang, Dinge auszuleben - und gleichzeitig "spürt man körperlich, dass man nicht mehr 20 ist." Und auch auf die Gefahr hin ziemlich alt zu klingen, postuliert Almassy, dass er sich "mit jedem Tag, der verstreicht, deutlicher der eigenen Endlichkeit bewusst" werde. Nachsatz: "Aber der Vorteil ist, dass man weiß, dass man noch viel Zeit hat." Dass er - sozusagen gerade am Vorabend des Vater-Werdens - die Welt grundsätzlich anders sähe als als Kind, Teenager oder Spätjugendlicher, bezweifelt der Mann vom Jugendsender: "Ich glaube, dass der grundlegende Charakter eines Menschen mit sieben oder acht Jahren schon geformt ist. Was dann kommt, sind Erfahrungswerte oder einschneidende Erlebnisse." Detailarbeiten und Feinschliff eben: Ihm sei schon als Kind Mode und Musik wichtig gewesen.

Und "mit dem Strom wollte ich nie schwimmen, drum habe ich eher Musicbox als Ö3 gehört" - so wie in diesen Belangen habe sich auch sonst sein Werte-und Wohlfühlsystem nicht gravierend geändert, sondern fast linear weiterentwickelt. Ob nicht die Vaterschaft sein Weltbild verändern werde? "Männer haben es schwerer als Frauen, weil sie vor der Geburt nur teilnehmende Beobachter sein können." Was dann passiere, meint Almassy, werde er merken, sobald das Kind da ist: "Das Wichtige sind nicht banale Vorsorge- und Versicherungsfragen, die man jetzt klären kann, sondern das emotionale Verhältnis zwischen mir und dem Kind - da etwas vorweg zu planen, hielte ich für wahnwitzig." Klar ist aber doch, dass sich allein durch die Rollenverschiebung die Sicht auf die Welt ändert: "Man will so viel anders machen als die eigenen Eltern - aber da ich und meine Geschwister keine totalen Rohrkrepierer sind, wird wohl nicht alles falsch gewesen sein, was sie getan haben."

Lego und Playmobil gehören da eindeutig dazu. Die Figuren aus seiner Kindheit, überlegt Almassy, müssten "noch irgendwo sein - aber ob sie seit dem Indianerüberfall noch verwendbar sind, bezweifle ich." Das Wieder-in-die-Hand-Nehmen des alten Spielzeuges, beteuert er, habe keine fast vergessenen Träume zurückgeholt: "Das war gar nicht nötig, weil das nie so weit weg war." Freilich: Als er nach mehr als 20 Jahren das erste Mal wieder einen Ritter in der Hand hielt, hat ihn eines dann doch erstaunt. Fast erschreckt: seine Hände. "Die kamen mir plötzlich unheimlich groß vor." (Thomas Rottenberg, DER STANDARD, rondo/17/09/2004)