Wien - Stress ist nicht gleich Stress: Was für den Menschen gilt, gilt offenbar auch in der Botanik. Schwermetalle können bei Pflanzen sehr unterschiedliche Reaktionen auslösen. Dieser Nachweis gelang jetzt einem Team des Campus Vienna Biocenter mit Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF. Die vor der Veröffentlichung stehenden Ergebnisse sind - so eine Aussendung - eine wichtige Grundlage für das Verständnis, wie Pflanzen mit zunehmenden Schwermetall-Konzentrationen in den Böden fertig werden und wie diese Fähigkeit eventuell nutzbringend eingesetzt werden kann.

Widrige Umweltbedingungen verursachen für Pflanzen enormen Stress. Als sesshafte Lebewesen sind sie allerdings diesen Umständen bedingungslos ausgeliefert. Damit sie trotzdem wachsen und gedeihen können, haben sie ein umfassendes Portfolio an Stressreaktionen entwickelt. Wie fein die Pflanzen dabei differenzieren können, belegen die Arbeiten von Univ.-Prof. Heribert Hirt und Dr. Claudia Jonaks Team.

Im Vergleich

In der Natur kommen Schwermetalle in geringen Konzentrationen im Boden vor und stellen so keine Schwierigkeit für Pflanzen dar. Hohe Konzentrationen, wie sie zunehmend durch Umweltbelastungen auftreten, wirken hingegen toxisch. Hirt und seine Co-Autoren verglichen nun erstmals die genauen Reaktionen von Pflanzen auf hohe Konzentrationen verschiedener Schwermetalle.

Der Experte: "Bereits unsere ersten Messungen zeigten, dass die Schwermetalle die Aktivierung von vier verschiedenen Enzymen hervorrufen, die eine ganz zentrale Rolle bei pflanzlichen Stressreaktionen haben. Diese Enzyme sind so genannte MAPKs." MAPKs ist die Abkürzung für "mitogen-activated protein kinases", eine Klasse von molekularen Schaltern, die von zentraler Bedeutung für die Steuerung der Expression von Genen sind.

Unterschiedliche Abläufe

Eine interessante Entdeckung machte das Team, als es die Aktivitäten der Enzyme im Detail analysierte. Dabei stellte sich heraus, dass unterschiedliche Schwermetalle zwar die gleichen vier Enzyme aktivieren, jeweils aber mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. So erfolgte durch Kupfer eine Aktivierung sehr schnell; durch Cadmium aber im Verhältnis dazu deutlich langsamer. "Die Aktivierung einzelner MAPKs durch Kupfer erfolgte bereits nach fünf bis zehn Minuten, während vergleichbare Effekte durch Cadmium erst 20 Minuten später verursacht wurden. Diese Differenz ist zwar für die Fähigkeit der Pflanze, mit dem Stress fertig zu werden, nicht so ausschlaggebend, deutet aber darauf hin, dass unterschiedliche Stressreaktionen stattfinden", erläuterte Hirt die Ergebnisse.

Dazu gibt es auch eine Hypothese, die von den Wiener Wissenschaftern derzeit überprüft wird. Ihre Grundlage ist die Tatsache, dass sowohl Kupfer als auch Cadmium zur Produktion von schädlichen Sauerstoffradikalen in der Pflanze führen. Kupfer führt zu einer sofortigen Produktion von Sauerstoffradikalen, weil es an verschiedenen Stoffwechselprozessen der Pflanzen beteiligt ist. Bei Cadmium setzt die Schädigung später ein, weil es nur über Umwege wirkt. Diese Forschungen könnten jedenfalls zu neuen Anwendungen führen: Die Züchtung von Pflanzen, welche auch auf kontaminierten Böden gedeihen bzw. die Bindung von Schwermetallen durch Pflanzen, um belastete Regionen langsam wieder zu säubern.(APA)