Brüssel - Der Import der gentechnisch veränderte Maissorte MON 863 der Firma Monsanto hat im zuständigen EU-Expertengremium in Brüssel am Montag keine ausreichende Unterstützung erhalten. Laut einer unbestätigten Mitteilung der Umweltschutzorganisation "Friends of the Earth" soll in einer Probeabstimmung ("indicative vote") die nötige qualifizierte Mehrheit von 88 der 124 Stimmen nicht erreicht worden sein.

Nach Darstellung der Umweltschutzorganisation Greenpeace ist die Entscheidung über die Importzulassung gestoppt worden, nachdem sich eine deutliche Niederlage für die Befürworter abgezeichnet habe. EU-Kommissionssprecherin Ewa Hedlund wies dies zurück. Die Abstimmung sei lediglich verschoben worden, um zusätzliche Informationen einzuholen.

Unterschiedliche Stellungnahmen

Es gehe um eine von Monsanto verfasste Toxizitätsstudie, über die die Vertreter einiger EU-Mitgliedsstaaten mehr wissen wollten, so die Sprecherin. Sobald diese Informationen vorlägen, werde es in einer neuerlichen Sitzung des Expertengremiums zur Abstimmung kommen. Wie genau die heutige Probeabstimmung ("indicative vote") ausgegangen sei, ließ sie offen.

Greenpeace sagt dagegen, dass nur 21 von 122 Stimmen auf die Zulassung entfallen seien. Steffen Nichtenberger, Sprecher der Organisation, kritisierte, dass sich das Gremium dennoch nicht auf ein Verbot in der EU einigen konnte. "Wir erwarten eine Klärung, wie eine Abstimmung mit einem derartig eindeutigen Stand abgebrochen werden kann", so Nichtenberger in einer Aussendung.

Gen-Mais in Polen

In einigen Wochen werden die Saatgut-Produzenten den polnischen Bauern erstmals genetisch veränderten Mais anbieten. Da der Anbau von "Gen-Mais" deutlich geringere Kosten verursacht, könnte es zu drastischen Veränderungen auf dem polnischen Getreidemarkt kommen. Andererseits würden 70 Prozent der polnischen Konsumenten gentechnisch veränderte Lebensmittel ablehnen, berichtet die Tageszeitung "Rzeczpospolita" am Montag.

Die polnische Regierung hatte lange Zeit versucht, die Markteinführung von genetisch modifizierten Lebensmitteln zu verhindern. Seit dem EU-Beitritt am 1. Mai war diese Frage bereits zweimal Thema des EU-Ministerrates. Beim ersten Mal stimmte der polnische Umweltminister dagegen, beim zweiten Mal enthielt er sich der Stimme. Da das Kräfteverhältnis der Befürworter und der Gegner ausgeglichen war, entschied die EU-Kommission am 8. September, gentechnisch modifizierten Mais der Sorte "MON 810" in die Liste jener Pflanzen aufzunehmen, die im vereinten Europa angebaut werden dürfen. "Wir wissen aber nicht, wie wir die polnische Gesellschaft von den Veränderungen überzeugen sollen", zitiert "Rzeczpospolita" ein Regierungsmitglied, das namentlich nicht genannt werden wollte.

Überwiegend Ablehnung

Nach neuesten Umfragen sorgen sich 70 Prozent der Polen vor negativen gesundheitlichen Folgen durch den Verzehr von gentechnisch Veränderten Lebensmitteln. Umweltschützer warnen, dass die Einführung der neuen Maissorte das Image Polens als Herkunftsland gesunder Lebensmittel beschädigen wird.

Rein theoretisch könnte die Regierung den "Genmais"-Anbau noch verbieten. Sie müsste sich dabei auf eine Gefährdung der Umwelt und der Gesundheit ihrer Bürger berufen. Wie es aus dem Umweltministerium in Warschau heißt, ist daran jedoch nicht gedacht. Der erste gentechnisch veränderte Mais könnte also bereits im kommenden Frühjahr ausgesät werden. "Wir können uns nicht isolieren. Wenn wir uns neuen Technologien verschließen, werden wir an Konkurrenzfähigkeit verlieren und den genetisch veränderten Mais schließlich importieren müssen", erklärte Landwirtschaftsminister Wojciech Olejniczak gegenüber "Rzeczpospolita".

Polen ist nach Frankreich und Spanien der drittgrößte Mais-Produzent in der EU mit einer Anbaufläche von 700.000 ha. Der Anbau der neuen Maissorte ist nach Angaben von Experten um 30 Prozent billiger als jener herkömmlicher Sorten. Schon im kommenden Jahr könnte auf einer Gesamtfläche von 30.000 ha der neue "MON 810"-Mais ausgesät werden. (APA)