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In der ersten Sitzung nach der Sommerpause ging's um die Wurst...ähm, und die Pension.
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Alles beim Alten, fast. Die Pensionsharmoni- sierung bot Regierung und Opposition Stoff für hitzige Debatten in der ersten Parlaments- sitzung im Herbst. Eine Premiere gab es in lukullischer Hinsicht.
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Wien - Josef Cap hatte Lust auf Krawatte. Magda Bleckmann auf Dirndl. Exminister Alois Mock und Tirols Landeshauptmann Herwig van Staa zog es auf die BesucherInnengalerie. Und viele gelüstete es nach Würsteln. Für die Abgeordneten war Mittwoch zehn Uhr Dienstantritt nach der Sommerpause. Bei der 76. Sitzung des Nationalrats bekamen sie ein regelrechtes Duell zwischen Kanzler und Kanzlerkandidat zu sehen.

Gusenbauer mit Frauenfrage

Im Rahmen einer Aktuellen Stunde arbeiteten sich Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (VP) und SP-Vorsitzender Alfred Gusenbauer vor laufenden Kameras an der Pensionsharmonisierung ab. Das erste Wort hatte der Herausforderer. Gusenbauer listete der spärlich besetzten Regierungsbank auf, welche "Korrekturen dringend notwendig sind" für eine faire und gerechte Pensionsreform. "Hauptleidtragende" wären derzeit die Frauen. Sie hätten aufgrund ihrer spezifischen Erwerbsbiografien "ganz massive Pensionskürzungen" zu erwarten. "Nutzen Sie die Zeit zur Reparatur", empfahl Gusenbauer dem Kanzler.

Schüssel: "Gräuelpropagenda"

Bevor dieser antworten konnte, wurde van Staa von Nationalratspräsident Andreas Khol begrüßt und Schüssel mit der Bitte, er möge die Redezeit nicht überschreiten, ans Mikro gelassen. Gelassen war der Kanzler an diesem Tag aber keineswegs, vielmehr entwickelte er bei seiner Verteidigung der Reform einen derartigen Furor, dass die Lautstärke teilweise am Überdrehen war. Er nutzte die Gelegenheit, "mit der Gräuelpropaganda hier aufräumen zu können, die seit geraumer Zeit von der SPÖ und auch von den Sozialisten in der Arbeiterkammer ungestraft verbreitet werden kann". Wo die SPÖ von Kürzung spreche, gebe es "in Wahrheit eine Erhöhung", so Schüssel: "Alles, was jetzt bei der Harmonisierung versucht wird, ist eine Verbesserung zu vorher." Daran könne auch "sozialistischer Neusprech" nichts ändern, sekundierte VP-Sozialsprecher Walter Tancits. FP-Klubchef Herbert Scheibner sah bei der Oppositionskritik vor allem "Parteipolitik". Junge-VP-Chefin Silvia Fuhrmann erklomm unter schon traditionellen "Wurstsemmel"-Rufen das Rednerpult. Grünen-Frauensprecherin Brigid Weinzinger empörte sich über Schüssels "ungestraft"-Sager: "Soll ich daraus schließen, dass Kritiker bestraft werden sollen?!" Schüssel nahm diese Formulierung später zurück: Der Gedanke "liegt mir völlig fern".

Kein Grundsicherungsmodell

Der dringliche Antrag der Grünen zu ihrem Grundsicherungsmodell fand keine Mehrheit. Das wird dem Wiener Pensionsmodell nicht passieren. Es wird am Freitag per Beharrungsbeschluss im Gemeinderat fixiert.

Im Parlament gab's übrigens eine Premiere: Um 13 Uhr ging es in die erste formelle Mittagspause. In den Couloirs wurden Würsteln mit Senf und Kren verkauft. Großer Andrang. Kameras unerwünscht. (Lisa Nimmervoll/ D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 23.9. 2004)