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Von links nach rechts: Marie-Therese Kerschbaumer, Günther Nenning, Gerhard Kofler und Robert Schindel; im Vordergrund das Austrokoffer-Relikt

Foto: APA/Schlager
Wien - Als "autonomes Autorenprojekt" präsentierten Herausgeber Günther Nenning und zwei seiner Mitherausgeber - Marie-Therese Kerschbaumer und Robert Schindel - den ehemaligen Austrokoffer unter dem neuen Namen "Landvermessung. Österreichische Literatur nach 1945. Vergessene, Bleibende, Künftige" bei einer Pressekonferenz heute, Freitag, im Cafe Landtmann. Ein Verlagskonsortium, das für den abgesprungenen Carl Ueberreuter Verlag einspringen soll, sei in Gründung begriffen. Als interessierte Verlage wurden Residenz, Haymon, Droschl und Wieser genannt. Das Projekt hat nun neben Nenning fünf Mitherausgeber - Milo Dor, Anna Mitgutsch und Julian Schutting waren jedoch nicht erschienen.

Noch kein Einblick in die Autorenliste

Die Autorenliste der "Landvermessung" unterliegt voraussichtlich bis Ende Oktober "dem Datenschutz". Von den 130 Namen, die auf Nennings "Urliste" standen, seien laut Nenning "die Hälfte Tote, davon ist uns keiner abgesprungen. Von den Lebenden haben 20 noch nicht geantwortet, 25 Ja gesagt und 20 Nein gesagt." Insgesamt habe man 177 Rechteanfragen gestellt, von 80 bisherigen Antworten seien 60 Zu- und 20 Absagen. Mitherausgeber Schindel kann mit den "Absagen von einzelnen wichtigen Autoren, wie es sich jetzt zeigt", leben, "nur wenn es sich noch weiter ausdünnt, muss man über die Aufgabe nachdenken."

Die Bundessubvention von 265.000 Euro ist bereits an den Verlag Ueberreuter ausgezahlt. Der Verlag zahle das Geld jetzt zurück, "es kommt in eine eiserne Kasse, um wieder herauszukommen, wenn die Verlagskonstruktion steht, " so Nenning. "Es gibt Möglichkeit von einem Verlag, einem Konsortium oder einem Konsortium mit einem federführenden Verlag." Von der Stadt Wien gäbe es eine "positive Zusage für eine substanzielle Subvention." Schindel beruhigte: "Die Angst, dass Geld verschwindet, ist unbegründet."

Der weitere Fahrplan

Als Erscheinungszeitpunkt peilen die Herausgeber die erste Jahreshälfte 2005 an. Auf der Buchmesse in Frankfurt wolle man auf jeden Fall präsent sein. Der Verkaufspreis soll zwischen 50 und 70 Euro liegen.

Der von Nenning ursprünglich geplante Austrokoffer sollte anlässlich des Jubiläumsjahres 2005 auf 5.000 Seiten österreichische Literatur nach 1945 präsentieren und im Jänner erscheinen. Nach der Veröffentlichung einer vorläufigen Autorenliste Anfang August war es laufend zu Autorenprotesten gekommen.

"Keine Vereinnahmung"

"Wir als Herausgeber garantieren dafür, das es eine Vereinnahmung durch eine Regierung oder eine Partei nicht gibt. Wir werden vielmehr den Geburtstag der Republik vereinnahmen", warb Autor Robert Schindel für den neuen Austrokoffer bzw. die "Landvermessung". "Hohe Auflage, günstiger Preis ist weiterhin die Devise", so Nenning. Gedacht ist an eine Auflage von 7.000 Stück zu einem Preis zwischen 50 und 70 Euro. Nenning: "Letztendlich liegt das alles beim Verlag" - aber der wird noch gesucht. Ziel sei ein Konsortium mit einem federführenden Verlag an der Spitze, angeblich liegen von zehn Verlagen Anfragen vor.

Zu seiner Funktion als Mitherausgeber meinte Schindel: "Nenning ist eine Figur in diesem Land mit einer großen Anzahl von Freunden und Feinden. Wenn er so ein Projekt stemmt, dann gibt es große Feindseligkeit und Misstrauen von manchen Schriftstellern. Ich bin dieser Sache beigetreten, um die Anthologie mitzuermöglichen. Wenn wir dieses Produkt haben, werden wir die Ungeschicklichkeiten vom Anfang vergessen. Man muss abwägen zwischen Kleinigkeiten, die einem nicht gefallen und der Sache im Ganzen." Es gebe die geforderte "Regierungs- und Staatsferne. Es geht nicht um Patriotismus. Der 60. Geburtstag der Republik gehört uns, nicht einer Partei oder Regierung."

"Man muss sich nicht schämen für dieses Projekt"

Begeisterung für die literarische "Landvermessung" versprühte das Podium. Marianne Gruber, Leiterin der österreichischen Gesellschaft für Literatur: "Ich bin für jedes Projekt, das die österreichische Literatur ins Rampenlicht stellt. Man muss sich nicht schämen für dieses Projekt. Es sind Fehler gemacht worden, aber reparable Fehler." Mitherausgeberin Marie-Therese Kerschbaumer sah es praktisch: "Eine Regierung kann sich nicht drücken zu solchen Anlässen, da kriegt man mehr Geld als gewöhnlich. Diese Idee muss man haben und wahnsinnig viel Kraft. Man sollte Dir, Günther (Nenning Anm.) jeden Tag danken und Blumen vor die Tür legen für das, was du arbeitest." Nenning bedankte sich mit Handkuss für die Blumen. Gerhard Kofler, Generalsekretär der Grazer Autorenversammlung, forderte ganz privat "als Autor andere Autoren dazu auf, teilzunehmen."

Dem neuen, "bis auf weiteres endgültigen" (Nenning), Projekttitel "Landvermessung" - laut Nenning eine Idee von Schindel, Assoziationen zu Kafka sind nicht unerwünscht - hat der Herausgeber aus Rücksicht auf seine "intellektuellen Freunde" zugestimmt. Obwohl "der Austrokoffer schon in aller Munde ist, wird der Name entfernt." Inhaltlich passe "Landvermessung": "Wir sind ja nicht aus auf eine Spaltung, sondern auf eine Sammlung dieser Landschaft. Es wird kein kompletter Literaturkanon, sondern ein Projekt mit Mut zur Lücke, die Platz schafft für Jüngere und Junge", so Nenning. Erst wenn sich der "Medienrummel" einigermaßen gelegt habe, könne man mit der inhaltlichen Arbeit wirklich beginnen.

Optik-Frage

Hinter dem Podium waren zwei grell bunte Bilder des Künstler Peter Pongratz zu sehen, mit Slogans wie "Spiritual Unity" und "It's all coming home to you". Als Blickfang sollen sie den Literaturkoffer schmücken. Bunt ist auch die Austrokoffer-Homepage. Während Nenning sie "schön jugendlich" findet, ist Gruber "nicht glücklich damit."

Von der "Kronen"- Zeitung, für die Nenning Kolumnen verfasst, gäbe es weder Sponsoring noch einen Einfluss auf die Autorenauswahl, betonte Schindel auf Nachfrage. Die Subventionen aus öffentlicher Hand, um die Nenning angesucht hat, sollen durch Private Public Partnership aufgestockt werden. Bis Ende Oktober sollen die Rechte geklärt sein, bis dahin wird die komplette Autorenliste auf Grund des "urheberrechtlichen Datenschutz" geheim gehalten. Nicht geheim, aber nicht komplett ist dagegen die Liste jener Kollegen, von denen angeblich Grußbotschaften oder Zustimmung zum "Autorenmanifest" einlangten: Wolfgang Bauer, Alois Brandstetter, Rudolf Burger, Milo Dor, Janko Ferk, Karl Markus Gauß, Alfred Kolleritsch, Konrad Paul Liessmann, Peter Marginter, Anna Mitgutsch, Heidi Pataki, Norbert Silberbauer, Erich Wolfgang Skwara, Johannes Mario Simmel, Peter Sloterdijk und Joseph Zoderer ein. (APA)