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Dass der neue Kommissionschef José Manuel Durao Barroso den Weg gehen will, den ihm Vorgänger Romano Prodi weist, ist fraglich.

Foto: REUTERS/Ho/European Commission
Franz Fischler verstand nur "Bahnhof". "Da wollte eine Abgeordnete wissen, ob die Kommissionsverordnung Paragraf X Absatz Y aus dem Jahr soundso im Widerspruch zu EU-Zielen steht. Ich hatte keine Ahnung, wovon sie redet." Die Klippe in seinem Hearing hat der Agrarkommissar gemeistert - indem er nach dem Inhalt der Verordnung fragte.

Solche Machtproben um EU-Wissen zwischen altgedienten Abgeordneten und neuen Kommissaren gehören zum Ritual der Hearings. Seit Montag fühlen die 732 Europaabgeordneten zwei Wochen lang den 25 künftigen EU-Kommissaren auf den Zahn. Manche ihrer Vorgänger kamen bei den Hearings ins Straucheln: So wurde der belgische Forschungskommissar Philippe Busquin einst mit dem harten Zeugnis "wenig glaubwürdig" bedacht. Das Zeugnis ist der Schluss der Hearings, dann wird abgestimmt - über die ganze Kommission. Ein Nein zu einem Kommissar ist unmöglich.

Kräftemessen mit Rat

Daher sind die Hearings zwar ein nervenaufreibendes Kräftemessen mit dem Parlament - die eigentliche Machtprobe hat die Kommission aber mit den Räten der Minister und mit den Mitgliedsländern zu bestehen. Das Team von José Manuel Durao Barroso tritt dabei ein schweres Erbe an. Unter Romano Prodi verlor die Kommission an Einfluss: "Wir stellen eine Verschiebung der Machtbalance zwischen den Institutionen fest", beschreibt Joao Vale de Almeida, Chef des Übergangsteams von Barroso, das derzeitige Machtgefüge, das Barroso ändern will.

"Brüssel ist zu mächtig" - unter dem Motto haben die Mitgliedsstaaten die Exekutive, die Kommission, in den vergangenen Jahren zurechtgestutzt. Der immer einflussreichere Rat der Finanzminister hat sich etwa über die Vorgaben der Kommission zum Stabilitätspakt hinweggesetzt, worauf die Kommission sogar den Europäischen Gerichtshof anrief (und inhaltlich abblitzte). Andere Beispiele für das Muskelspiel der (Minister-)Räte finden sich zuhauf: Vorgaben der Kommission werden in den Räten end- und ergebnislos verhandelt. Frankreich kämpft gegen die Wettbewerbsvorgaben der Kommission, Großbritannien gegen Arbeitszeitrichtlinien, und alle gemeinsam wehren sich gegen die Budgetwünsche der Kommission.

roße Brocken warten

Schon mit seinem Team hat Barroso versucht, die Mitgliedstaaten in die Schranken zu weisen: Deutschland etwa bekam das Industrieressort, aufgefettet um Wettbewerbspolitik, aber keinen "Superkommissar". Frankreich wurde mit dem Verkehrsressort abgespeist. Diese Ressortaufteilung ist der erste Schritt im Machtspiel zwischen Kommission und Mitgliedstaaten.

Barroso will Führungsstärke beweisen und die Kommission aufwerten: Er hat sich die Koordinierung des "Lissabon-Prozesses" vorbehalten - über das ehrgeizige Ziel, Europa zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum zu machen. Auch andere große Brocken warten auf die Kommission, die im November antritt: Sie muss das Siebenjahresbudget fixieren, ärmere Mitglieder integrieren, Gespräche mit der Türkei starten - und die Verfassung und damit gemeinsame Außenpolitik durchsetzen. Vom Schicksal der Verfassung hängt die Zukunft von Benita Ferrero-Waldner ab: Sie wird Außenkommissarin - vorerst, bis Javier Solana EU-Außenminister wird. Solana kommt frühestens Ende 2006. Vorausgesetzt, die Verfassung verzögert sich nicht - was bei elf Referenden fraglich ist.