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Bis zu 60 Dollar je Barrel sind laut Analysten möglich - eine Entspannung ist in Sicht.

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New York/London/Singapur/Wien - Der Ölpreis hat in der Nacht zum Dienstag erstmals die psychologisch wichtige Marke von 50 Dollar durchbrochen und sich mittlerweile schon an die Marke von 50,50 Dollar herangetastet.

US-Leichtöl zur Lieferung im November kletterte im frühen Handel bereits auf 50,47 Dollar pro Barrel (159 Liter). Auch in London zog der Ölpreis nach dem erstmaligen Überschreiten der 46 Dollar-Marke am Dienstag neuerlich um 48 Cent auf 46,50 Dollar an.

Damit liegt der Rohölpreis derzeit rund 75 Prozent über dem Stand des Vorjahres. Die OPEC bezeichnete die Rekordölpreise als eine Gefahr für die Weltkonjunktur.

Drohender Streik in Nigeria

Analysten der OPEC, der Organisation Erdöl exportierender Länder, machen einen drohenden Streik in Nigeria für die jüngste Preisexplosion auf den Ölmärkten verantwortlich. Angesichts der angespannten Lage könne sich die Weltwirtschaft den Ausfall der Lieferungen aus dem fünftgrößten Öl-Förderland der Erde nicht leisten.

Die Rebellen in Nigeria kämpfen um die Kontrolle der im Süden des Landes gelegenen Ölfelder. Nigeria ist weltweit der siebtgrößte Ölexporteur.

Börsen reagieren nervös

Der Dow-Jones-Index an der New Yorker Börse war wegen der hohen Ölpreise schon am Vortag unter die Marke von 10.000 Punkten, auch der Nikkei-Index in Tokio gab Nikkei-Index um 0,4 Prozent auf 10.815,57 Punkte nach. Analysten, die vor wenigen Wochen noch von drohenden Rekordpreisen um die 50 Dollar gesprochen hatten, schließen jetzt auch Ölpreise um 60 Dollar nicht mehr aus.

Unsichere Lage in Nahost

Engergieanalyst Daniel Hynes von der ANZ Bank in Australien sieht den Hauptgrund für den Preisanstieg nach wie vor unsichere Lage in Nahost. Eine Anschlagsserie von Aufständischen im Irak und Gefechte mit mutmaßlichen Al-Kaida-Extremisten im weltweit größten Ölförderland Saudiarabien hatten schon in den Vortagen für neue Unruhe am Ölmarkt gesorgt.

Außerdem habe der Hurrikan "Ivan" den Weg für den jüngsten Preisanstieg geebnet, ergänzte Hynes. Nach offiziellen Angaben haben die USA in den vergangenen zwei Wochen im Golf von Mexiko über 11 Millionen Barrel an Förderleistung eingebüßt.

Laut US-Behörden liegt die Tagesproduktion im Golf von Mexiko derzeit rund 29 Prozent unter Normalstand. "Der Schaden durch Ivan dauert immer noch an", erklärte der Analyst John Kilduff von Fimat USA in New York.

Panik beim Endverbraucher

Der Ölexperte Ng Weng Hoong von Energyasia.com in Singapur erklärte am Dienstag, Panik bei den Endverbrauchern ziehe die Preise zunehmend nach oben. Wegen des kommenden Winters auf der Nordhalbkugel sei mit neuen Käufen zu rechnen. "Nach dem Knacken der 50 Dollar sind nun die 60 Dollar im Visier", sagte Ng.

Mit Skepsis schauen die Märkte derzeit auf die OPEC: Analysten bezweifeln, dass die Organisation in der Lage wäre, im Fall einer tief greifenden Unterbrechung der weltweiten Ölproduktion die Förderung kurzfristig beträchtlich anzuheben.

Das Förderkartell räumte schon am Montag ein, dass die Entscheidung, den Ausstoß zum 1. November um 1 Million Barrel zu erhöhen, nicht das gewünschte Ziel erreicht habe, die Märkte zu beruhigen. Der so genannten Korbpreises, ein Durchschnittspreis für sieben wichtige Rohölsorten des Kartells, ist am Montag um 59 Cent auf 42,90 US-Dollar auf den zweithöchsten Stand seit Einführung geklettert.

82 Millionen Barrel am Tag

Die weltweite Ölproduktion liegt derzeit bei rund 82 Millionen Barrel am Tag. Die Spanne für die Ausweitung der Produktion liegt Analysten zufolge nur bei etwa einem Prozent. Mit Spannung warten die Märkte nun auf den Bericht über die Lagerbestände in den USA, der am (morgigen) Mittwoch vorgelegt wird.

Analysten zufolge schadet der hohe Ölpreis schon jetzt Fluglinien und anderen Großverbrauchern; sollte der Trend anhalten, könne dies zu einer globalen Rezession führen.

Etwas trösten mag angesichts all dieser Negativfaktoren die Einsicht, dass der Ölpreis inflationsbereinigt um mehr als 30 Dollar unter dem Niveau liegt, den er 1981 nach der iranischen Revolution hatte. (APA)