Bürgermeister Michael Häupl traf in New York Israel Singer, der Vorsitzenden des Jüdischen Weltkongresses. Er wolle sich für vorgezogene Zahlungen aus dem NS-Entschädigungsfonds einsetzen, versprach Häupl.

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Wien/New York – Michael Häupl, Bürgermeister von Wien, traf in New York Israel Singer, den Vorsitzenden des World Jewish Congress. Und es ging um Brisantes: Den Entschädigungsfonds der Republik Österreich, mit dem Opfer des Hitlerregimes für Vermögen, dass ihnen während der NS-Zeit geraubt worden war, entschädigt werden sollen. Bis dato sind keine Gelder geflossen.

Michael Häupl besprach mit Singer eine vorzeitige Auszahlung aus dem Fonds, denn Österreich käme in Argumentationsnot, wenn die Hälfte der Anspruchsberechtigten zum tatsächlichen Auszahlungsbeginn bereits tot seien. Häupl, der sich mit Wiens Noch-Wirtschaftskammerpräsident Walter Nettig auf USA-Reise befindet und für das dortige Wiener Café im UNO-Gebäude Thonet-Stühle und Tische überbrachte, wolle sich dafür bei der österreichischen Bundesregierung einsetzen.

Häupl sagte Israel Singer zu, im Speziellen mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel über vorzeitige Auszahlungen zu sprechen. Seine Aufgabe sei allerdings das Einzahlen in den Fonds gewesen, nicht das Auszahlen, was nur von der Bundesregierung veranlasst werden könne, betonte Häupl.

Komplexe Rechtslage

Wiens Bürgermeister sprach damit die komplizierte Rechtslage an, aufgrund derer Zahlungen an die Überlebenden des NS-Regimes bis heute nicht erfolgt sind.

Es geht um die "Rechtssicherheit" für Österreich, dass nach Abschluss der Zahlungen aus dem Entschädigungsfonds, in den die Republik und österreichische Unternehmen 210 Millionen Dollar eingezahlt haben, keine weiteren Sammelklagen gegen die Republik erfolgen. Das Problem: Derzeit sind in den USA noch zwei solcher Klagen aus dem Titel "Restitution" anhängig, weshalb eben keine Gelder ausbezahlt werden.

Kurz vor dem diese Woche beginnenden jüdischen Erntedank, dem Laubhüttenfest, besuchte das Wiener Stadtoberhaupt am Montag zudem Rabbi Arthur Schneier und dessen Schule. Rabbi Schneier sei "für das Weltjudentum das, was Kardinal König für die katholische Kirche war", ehrte Häupl seinen alten Bekannten. Dieser, ein gebürtiger Wiener, dessen Familie vor den Nationalsozialisten flüchten musste, warnte vor den Gefahren des internationalen Terrorismus.

Religion sei ein Feuer, das sowohl wärmen als auch verbrennen könne. Man müsse deshalb den Dialog mit den Verständigen suchen und zugleich wachsam sein. Keiner könne sagen, wo "die Barbaren unserer Zeit" als nächstes zuschlagen. Eine der größten Herausforderungen Europas und damit Österreichs sei die Integration der dort lebenden Moslems. Auch Häupl betonte, dass eines der wichtigsten Ziele Wiens das Miteinander der verschiedenen Religionen sei. (APA, aw/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.9.2004)