Debra Granik: "Down the Bone"

Foto: Viennale
Eine einfache Geschichte vom Überleben: Down to the Bone heißt das Langfilmdebüt der jungen US-Regisseurin Debra Granik. Gena Rowlands Frauenfiguren – zumal ihre Woman Under the Influence – könnten hier Patin gestanden haben. Down to the Bone , auf Video gedreht, aber ohne die damit häufig einhergehende Guerillaästhetik, führt ins verarmte Umland von New York.

Irene (Vera Farmiga), verheiratet, Mutter von zwei kleinen Jungs, arbeitet dort als Supermarktkassierin, und nebenbei pflegt sie heimlich ein gefährliches Laster. Als das Geld fürs Kokain nicht mehr reicht, begibt sie sich in eine Entzugsklinik. Das sanfte Drängen des Ehemannes und der drohende Verlust des Arbeitsplatzes lassen sie bald darauf wieder heimkehren. Aber zwischen dem alten Leben und den neuen Erfahrungen und Zielen tun sich kaum merklich Diskrepanzen auf.

Down to the Bone ist eine beiläufige Milieustudie. Die Kamera hält angenehme Distanz zu den Figuren und dem Geschehen. Kaum je schlägt die labile Grundstimmung in dramatische Ausbrüche um. Granik setzt vielmehr sehr gelassen rund um ihre Protagonistin ein soziales und räumliches Umfeld ins Bild – Stichwort: working poor, da und dort kleine Zeichen von ökonomischem Abstieg und wie zum Trotz das Beharren auf symbolischem Patriotismus. Schwere Jungs, die sich im Gemeindezentrum bei Keksen und Kaffee zur Selbsthilfegruppe treffen, um sich zu einem Jahr ohne Konsum von Substanzen zu gratulieren. Junge Mütter und alte Männer, die an der Supermarktkasse zaghaft nach Rabatten fragen.

Auch auf anderen Ebenen vermittelt sich hier vieles über die präzise Wiedergabe von Details: Die Beziehung zwischen Irene und ihrem Ehemann etwa wird unter anderem über die sich ewig verzögernde Fertigstellung eines eigenen Badezimmers charakterisiert. Oder über Versuche, sich einander wieder sexuell zu nähern, die ins Leere gehen. Ganze (Vor-)Geschichten kann man dazu assoziieren – in einem Film, der vieles offen hält und seine Erzählung währenddessen doch konsequent verdichtet.

Down to the Bone beschreibt Lebens- und Arbeitsbedingungen auch anhand von Situationen wie dieser: Eines Tages wird Irene ins Büro des Filialleiters bestellt. Ihre Konzentration und ihre Geschwindigkeit hätten offensichtlich nachgelassen, welches persönliche Problem denn ihre Leistung beeinträchtige – sie möge sich doch bitte mitteilen. "Sie wollen's wirklich wissen?", sagt Irene, "Nun – früher war ich schneller und effektiver, weil ich meistens high war bei der Arbeit. Jetzt bin ich clean."

"Du kennst ja die Einstellung des Unternehmens zu Drogen." Dann: ein einfacher Schnitt. Das Leben wird danach nicht einfacher werden. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1.10.2004)