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Foto: Reuters/Renalldini

Schönheit als Bollwerk gegen die alltägliche Bilderflut des Grauens: Getreu dieser Philosophie entwirft Miuccia Prada ihre Mode. Jüngster Puzzlestein ihres Universums ist ein Parfum. Ein Porträt von Peter Bäldle

Miuccia Prada, so scheint es, ist die Frau der Stunde. Nachdem Guccis Tom Ford beim Spiel um die Positionen im eigenen Haus matt gesetzt wurde, könnte Milanos "First Lady of Fashion" das langjährige Duell der beiden Luxusmarken für sich entscheiden. Immer noch geht es um die schöneren Handtaschen, die schickeren Schuhe und die höheren Verkaufszahlen.

Mit ihrer diesjährigen Herbst- und Wintermode dürfte "La Prada" die dritte Kollektion in Folge hingeblättert haben, die sich als echter Royal Flash im Poker mit der Konkurrenz entpuppt. Ihre mit Schmucksteinen bestickten Mäntel und die Röcke mit den surreal kolorierten Ruinenprints fliegen förmlich aus den Geschäften, wenn man den euphorischen Statements des Modehandels Glauben schenken darf. Und ihre glitzernden Gürtel und funkelnden Broschen schreiben bereits Modegeschichte. Deshalb und "für die klare Vision und den Einfluss, den sie mit ihren Kollektionen auf den internationalen Stil ausübt" wurde sie mit dem "International Award" des CFDA geehrt, des "Council of Fashion Designers of America". Sie erhielt ihn übrigens zum zweiten Mal, was nur wenigen Persönlichkeiten des Fashionbusiness passiert.

Prompt lässt Miuccia nun folgen, worauf ihre Fans schon lange gewartet haben. Der erste Duft des Hauses ist gerade auf den Markt gekommen, und seitdem ist "Prada", so der Name des Duftwassers, nicht nur in aller Munde, sondern auch in so mancher Nase. Vielleicht ist das der vorerst letzte Baustein in Miuccias Bemühen, der Mode wieder Schönheit vermitteln zu wollen. Quasi das Flair, das den Begriff umgeben soll.

Denn Schönheit ist ihre Antwort auf die Bilderflut des alltäglichen Grauens, welche die Kriege in Bagdad und Kabul den Medien bescherten. "Ich will Schönheit, um mich gegen sie zu schützen", erklärte sie in einem Interview, "also empfand ich, dass all das Minimalistisch-Reduzierte so nicht mehr weitergehen konnte." Deshalb kolorierte sie Mantelstoffe und zeigte Drucke, deren fröhliche Farbkombinationen wieder Spaß an Mode machen sollten. "Dabei muss Mode immer mit meinem Wesen in Einklang stehen. Sie muss bequem sein, zuweilen elegant, durchaus exzentrisch!" Was sie darunter versteht? "Die falschen Sachen zur richtigen Zeit zu tragen. Nackte Beine zum Beispiel zu Tweed, Sommerbaumwolle im Winter, Chiffonkleidchen unterm Pelz und Röcke aus schweren Mantelstoffen."

Die Ideen hierfür zieht sie sich aus dem eigenen Kleiderschrank, denn seitdem sie 13 Jahre alt war, hat sie nichts mehr weggegeben, was sie einmal getragen hat. Nicht die Couture von Courrèges oder Pierre Cardin, nicht jene von Norman Hartnell aus New York oder Jean Muir aus London. Und schon gar nichts von Yves Saint Laurent.

Miuccia Prada wurde 1950 geboren, "mit einem goldenen Löffelchen im Mund", wie es so schön heißt. Ihr Großvater Mario Prada, der Firmengründer, war Hoflieferant von Italiens König, Leder war sein Metier. Taschen und Koffer waren seine Spezialität, aufwändigst ausgestattet mit eleganten Behältnissen aus Schildpatt, Gold und Elfenbein. Das machte das Gepäck zwar nicht leichter, sorgte aber dafür, dass spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg die Geschäfte nur schleppend vorangingen.

Miuccia interessierte das nicht. Sie studierte politische Wissenschaften, promovierte mit 25 Jahren und liebäugelte mit der kommunistischen Partei. In Jeans studierte sie, in Couture von Saint Laurent verteilte sie Flugblätter an den Fabrikstoren. "Ich war eine echte Aristokommunistin." Aus Gefälligkeit half sie ihrer Mutter bei der Firmenleitung und stellte mit Erstaunen fest, dass sie, wie nebenbei, geworden war, was sie niemals hatte werden wollen: Designerin.

Also übernahm sie konsequenterweise 1978 das Familienunternehmen, überließ aber die geschäftlichen Belange ihrem Ehemann Patrizio Bertelli. Dieser, der Vater ihrer beiden Söhne, kommt aus der Toskana, soll ein glänzender Koch sein und ein gefürchteter "Businessman", was er geschickt hinter der silberhaarigen Gemütlichkeit des "Bonhomme" zu verbergen weiß.

Nachdem Miuccia 1985 den Coup ihres Lebens landete, als sie federleichtes, schwarzes Pocono-Nylon, aus dem man bisher nur Armeezelte herstellte, auch für Taschen einsetzte, konnte niemand mehr den Expansionsgelüsten ihres Gatten Einhalt gebieten. Zuerst kam 1988 die Prêt-à-Porter, der sechs Jahre später die Männermode folgte. Nach dem Erfolg mit "Prada Sport" betätigte er sich als Global Player, kaufte Firmen wie Jil Sander, verkaufte sie wieder wie Byblos oder Fendi.

Bald wurde über seine Bankschulden und die nicht durchgeführten Börsengänge mehr berichtet als über Miuccias Mode. Schien er sich doch ihre Designphilosophie auch im Geschäftlichen zu Eigen gemacht zu haben. Sie lautet: "Ich fange immer mit einer kleinen, dummen Fantasie an. Lasse mich dann treiben, lege mich nie fest. Niemand weiß, was ich als Nächstes tue. Das gefällt mir." (DER STANDARD/rondo//01/10/04)